# taz.de -- Die einzig harte Währung auf der COP: Wenn die Uhren rückwärts laufen
       
       > Die Zeit, den Klimawandel einzugrenzen, rennt, obwohl sie manchmal
       > stillzustehen scheint. Mit der Zeit auf der COP26 ist es wieder anders.
       
 (IMG) Bild: Die Zeit rückwärts drehen
       
       GLASGOW taz | Oben kreisen dröhnend die Hubschrauber, unten werden die
       Securityguards nervös: Gedrängel auf der Klimakonferenz vor dem Plenarsaal,
       der eigentlich nur ein sehr großes Bierzelt ist. „World Leaders Summit“
       heißt das, und wer wichtig ist, muss mitdrängeln: PolitikerInnen,
       BeraterInnen, JournalistInnen, UmweltschützerInnen, Kameras hier, Mikrofone
       da.
       
       Die härteste Währung der Klimakonferenz ist Aufmerksamkeit. Das könnte man
       jedenfalls denken, wenn man die ersten zwei Tage sieht. Stimmt aber nicht.
       Der wichtigste Gradmesser für Gewicht und Wichtigkeit ist hier nicht
       mediale Aufmerksamkeit, nicht die Macht, die demonstriert wird, und nicht
       das Geld, das ausgegeben wird oder nicht. Die härteste Währung ist: Zeit.
       
       Denn wenn es etwas gibt, das es auf Klimakonferenzen nicht mehr gibt,
       [1][dann ist das Zeit]. Da hat echte Deflation eingesetzt: Bei der ersten
       COP 1995 hieß es, um die Klimakrise zu verhindern, müssten die globalen
       CO2-Emissionen in jedem Jahr um ein Prozent sinken. Nicht einfach, aber
       machbar.
       
       Heute sind es sechs oder sieben Prozent. Das schaffen wir bisher nur in
       einem Corona-Lockdown. Der Grund: knapp 30 Jahre Verzögern und Verzagen.
       Mit der knappsten aller Ressourcen sind wir umgegangen wie [2][Elon Musk
       mit Investorengeldern]. Einfach rausballern.
       
       ## Mordlust vor verschlossener Türe
       
       Zeit ist ohnehin sehr relativ bei den Konferenzen, Albert Einstein würde
       sich freuen. Wenn es am Freitagabend kein Verhandlungsergebnis gibt, wird
       einfach die Uhr angehalten und weitergemacht. Es gehört zum guten Ton und
       zu den Machtspielchen, seine Zeitvorgaben nicht einzuhalten und zu spät zu
       kommen. Unter BeobachterInnen und Medienmenschen dagegen grassiert dann vor
       den verschlossenen Türen nächtelang die Mordlust: An jeder Ecke wird die
       Zeit totgeschlagen.
       
       Glasgow ist da anders: Zum ersten Mal auf einer Klimakonferenz laufen die
       Uhren rückwärts. Zwar nur in der Nacht von Samstag auf Sonntag, aber
       immerhin: So einfach kann das sein, die Zeit zurückzudrehen und die
       gewonnene Zeit für etwas Sinnvolles zu nutzen. So könnte sie aussehen, die
       offizielle Strategie zum Kampf gegen die Klimakrise: nicht um einen Tag,
       sondern um Jahre und Jahrzehnte die Zeit zurückdrehen. Noch mal anfangen,
       es richtig machen. Und [3][ein paar Fantastilliarden Tonnen Kohlendioxid]
       gar nicht erst in die Atmosphäre blasen.
       
       Eine schöne Fantasie, meinen Sie? Sicher. Aber eine solche Fantasie hat uns
       am Wochenende immerhin auf Trab gehalten. Überall Hexen, Spinnen,
       Gespenster. Denn das sind Klimakonferenzen jenseits unserer
       Zeitmaschinenträumereien ja eigentlich, wenn man sieht, wie auch nach 26
       COPs voller Klimagerede immer noch Öl, Gas und Kohle den Ton angeben: die
       Nacht der lebenden Toten.
       
       1 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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