# taz.de -- Scheidender Innenminister Seehofer: Ein Einzelfall geht in Rente
       
       > 50 Jahre lang war Horst Seehofer in der Politik, nun tritt er ab. Auf der
       > BKA-Herbsttagung ermahnt er die Ampel, die Überwachung nicht
       > einzudampfen.
       
 (IMG) Bild: Einmal noch im Großformat: Horst Seehofer, zugeschaltet auf der BKA-Herbsttagung am Mittwoch
       
       BERLIN taz | Es ist sein letzter großer Auftritt. Und ausgerechnet der,
       pandemiebedingt, nur digital. Am Mittwochnachmittag lässt sich [1][Horst
       Seehofer] zur BKA-Herbsttagung in Wiesbaden zuschalten. Und der
       Noch-Bundesinnenminister nutzt den Auftritt zu einem Rundumschlag, mit
       Selbstlob für seine Amtszeit – und Mahnungen an die künftige
       Ampel-Regierung.
       
       Stolze 50 Jahre machte der CSU-Mann Politik. Er war Bayerns
       Ministerpräsident, Gesundheits- und Landwirtschaftsminister im Bund, seit
       2018 Innenminister. Nun geht der 72-Jährige in Rente, die Ampel übernimmt.
       Und die kündigt eine [2][neue, progressive Sicherheitspolitik] an:
       präventive Ansätze und Bürgerrechte sollen gestärkt werden, eine
       „Generalrevision“ der Sicherheitsarchitektur erfolgen.
       
       Seehofer gibt der neuen Koalition dafür Appelle mit auf den Weg: Die
       Sicherheitsbehörden müssten auch künftig „mithalten können“, mahnt er.
       Dafür brauche es die nötige technische Ausrüstung und rechtlichen
       Befugnisse.
       
       ## Seehofer lobt seine Bilanz
       
       Zunächst aber lobt Seehofer seine Arbeit: „Unsere Bilanz kann sich sehen
       lassen.“ Die [3][Kriminalitätszahlen sänken seit Jahren], die
       Sicherheitsbehörden hätten zuletzt gut 10.000 neue Stellen bekommen, vor
       allem gegen den Rechtsextremismus sei so viel getan worden wie noch nie,
       [4][mit Verboten und neuen Gesetzen].
       
       Seehofer verweist aber auch auf Probleme: Fälle von
       Kindesmissbrauchsdarstellungen hätten sich verdoppelt, die [5][politisch
       motivierte Kriminalität steige], Querdenker schürten Misstrauen gegen den
       Staat, [6][psychisch erkrankte Einzeltäter] verübten schwere Gewalttaten.
       Und der Rechtsextremismus bleibe „die größte Bedrohung unserer
       Gesellschaft“, so Seehofer.
       
       Und klar ist ohnehin: Wenn der oder die neue InnenministerIn übernimmt,
       werden die ersten Aufgaben Krisenmanagement sein. Denn mit den Geflüchteten
       an der belarussischen Grenze und der wieder explodierenden Coronapandemie
       warten zwei ungelöste Großaufgaben.
       
       Auch Seehofer nennt die aktuelle Coronalage „hochgefährlich“. Im
       Belarus-Konflikt fordert er einen „klaren Kurs und Fingerspitzengefühl“.
       Den Geflüchteten müsse geholfen, die EU-Grenze aber auch geschützt werden.
       Das „perfide Vorgehen“ von Belarus dürfe nicht erfolgreich sein.
       
       ## Plädoyer für Vorratsdatenspeicherung
       
       Dann folgen Seehofers Mahnungen an die Ampel – vor allem was die
       Überwachungsbefugnisse angeht. „Die Cybergefahr wird eine der größte
       Herausforderungen der nächsten Jahre“, warnt er. „Die Sicherheitsbehörden
       dürfen nicht blind und taub werden.“ Seehofer benennt die
       Onlinedurchsuchung, sehr deutlich auch die [7][Vorratsdatenspeicherung] –
       ein jahrelanges Streitobjekt. Auch diese müsse man „endlich nutzen“,
       fordert der CSUler. „Ich habe nie verstanden, welch hysterische
       Abwehrreaktionen der Begriff hervorruft. Es gibt in Deutschland keinen
       Überwachungsstaat mehr.“
       
       In der Ampel ist das Thema Überwachung tatsächlich [8][ein Streitpunkt].
       Die SPD will den Sicherheitsbehörden großzügiger Befugnisse gewähren, Grüne
       und FDP sind dagegen. Seehofers Appell dürfte genau darauf zielen.
       
       Auch in der Migrationspolitik mahnt er weiter „Humantiät und Ordnung“ an,
       mit Hilfen für Geflüchtete – aber auch einer klar geordneten Zuwanderung.
       „Sonst kommen wir zwangsläufig in gesellschaftliche Probleme, die dann auch
       wieder die Sicherheitsbehörden beschäftigen.“
       
       ## Am Donnerstag nach Warschau
       
       Schließlich stellt sich Seehofer noch einmal klar vor die Polizei. So wie
       es schon seine Amtszeit prägte, in der er sogar [9][die wegen einer
       Polizeikolumne die taz verklagen] wollte. Die Polizei gehöre „zum Besten,
       was unsere Gesellschaft zu bieten hat“, lobt er überschwänglich. Es gebe
       Fehlverhalten, aber nur im Einzelfall. Misstrauen und ein Generalverdacht
       verböten sich, es existiere kein strukturelles Problem. Wer dies behaupte,
       wolle schlicht „die Autorität staatlichen Handelns untergraben“.
       
       Dann tritt Seehofer ab. Das Innenministerium sei noch einmal „der
       Höhepunkt“ seiner Karriere gewesen, „jeder Tag eine Bereicherung“, sagt er
       noch. „Es war eine wunderschöne Zeit.“ BKA-Präsident Holger Münch dankte
       Seehofer für die „Anerkennung“ der Sicherheitsbehörden, „das tut gut“.
       
       Am Donnerstag wird Seehofer nun noch einmal nach Warschau reisen, um die
       Belarus-Krise zu besprechen. Dann, ab Dezember, will er sich der Freizeit
       widmen. In Interviews sagte er zuletzt, was das heißt: Wandern, E-Bike
       fahren, Keyboard spielen, lesen – und an seiner Modelleisenbahn im Keller
       bauen. BKA-Chef Münch schenkte ihm noch ein Spielzeug dazu: eine Drohne.
       
       17 Nov 2021
       
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