# taz.de -- Hongkongs neues Supermuseum: Die Zensoren warten schon
       
       > Das kürzlich eröffnete M+ in Hongkong soll zum führenden Museum in
       > Ostasien werden. Doch kann kritische Kunst hier wirklich gedeihen?
       
 (IMG) Bild: „1/30th of a Second Underwater“ von Wang Wei im M+ in Hongkong
       
       PEKING taz | Als das M+ am Freitag seine Pforten öffnete, begrüßten die
       Mitarbeiter des überdimensionalen Museums die ersten Besucher unter
       Freudentränen. Zu groß war die Anspannung nach all den Jahren der Planung,
       den Hunderten Millionen Dollar an Kosten, den mehrmaligen Verschiebungen.
       Doch nun kann die Öffentlichkeit endlich beurteilen, ob das M+ wirklich
       seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden kann: zur führenden
       Kulturinstitution Ostasiens zu avancieren.
       
       Die Startvoraussetzungen sind an sich exzellent: Die Schweizer Architekten
       von Herzog & de Meuron entwarfen ein grandioses Gebäude vis-à-vis der
       Skyline Hongkongs. Und die Standortwahl schien vor wenigen Jahren noch mehr
       als einleuchtend: Die einstige britische Kronkolonie ist der wichtigste Hub
       für Kunstsammler in ganz Asien.
       
       Doch die Ausgangslage hat sich inzwischen verändert. Peking hat der
       Finanzmetropole ein drakonisches Gesetz für nationale Sicherheit
       aufgezwungen, [1][welches die Zivilgesellschaft Hongkongs ausradiert hat].
       Nicht nur wurden Politiker und Aktivisten verhaftet, sondern auch der freie
       Austausch von Ideen unterbunden: Bibliotheken säuberten Bücherbestände,
       Lehrer änderten Unterrichtsmaterialien, Kinos zensierten Filmvorstellungen.
       Kann in einem solchen politischen Klima freie Kunst gedeihen?
       
       Am Donnerstag lieferte ein hochrangiger Regierungsbeamter Hongkongs die
       Antwort: „Die Eröffnung des M+ bedeutet nicht, dass künstlerischer Ausdruck
       über dem Gesetz steht. Das tut es nicht“, sagte Henry Tang, Leiter des West
       Kowloon Cultural District.
       
       Für den Schweizer Uli Sigg dürften die jüngsten Entwicklungen mehr als
       ernüchternd sein. Der 75-jährige Kunstmäzen – und einstige Botschafter in
       Peking – häufte in den letzten viereinhalb Jahrzehnten die weltweit
       umfassendste Sammlung chinesischer Gegenwartskunst an. Rund 1.500 Werke von
       320 Künstlern hat Sigg bereits 2012 dem Museum M+ vermacht. „Damals wurde
       mir von oberster Stelle bestätigt, dass in Hongkong uneingeschränkt
       Kunstfreiheit bestehe. Dies ist heute natürlich nicht mehr in derselben
       Form der Fall“, sagte der Luzerner kürzlich der NZZ.
       
       ## Im Keim erstickt
       
       Man muss nur [2][einen Blick nach Festlandchina] werfen, um zu sehen, wie
       die Staatsführung ihr nicht gefällige Kunst im Keim erstickt. Wer das
       Nationale Kunstmuseum in Peking besucht, kann bloß anhand der Jahreszahlen
       das jeweilige politische Klima erahnen: Während von 1980 bis zu den frühen
       Nullerjahren mit abstrakten Formen und Ambiguitäten experimentiert wurde,
       sind die Exponate unter der Herrschaft Xi Jinpings oftmals auf die Spitze
       getriebene Spielereien des sozialistischen Realismus: Als Motive dienen
       etwa glückliche Familien vor vollen Supermarktregalen oder Arbeiter in
       modernen Hafenanlagen.
       
       In Hongkong ist es längst noch nicht so weit, die Kunstfreiheit genießt
       nach wie vor Privilegien. Insbesondere die Uli-Sigg-Sammlung im M+ streift
       auch politisch sensible Themen, darunter die blutige Niederschlagung der
       Studentenbewegung am Tian’anmen-Platz 1989. Doch es ist nur eine Frage der
       Zeit, bis [3][Pekings Zensoren] einschreiten.
       
       15 Nov 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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