# taz.de -- Lobbyismus auf der Klimakonferenz: Die fossilen Fünfhundert
       
       > Vertreter:innen klimaschädlicher Konzerne haben zu viel Einfluss in
       > Glasgow, finden Lobbyismus-Kritiker:innen. Und was sagen die Zahlen?
       
 (IMG) Bild: Klimaaktivist*innen vor dem Konferenzort in Glasgow am Montag
       
       GLASGOW taz | Auf der Weltklimakonferenz in Katowice vor drei Jahren wurde
       Shell übermütig. [1][David Hone, der oberste Klimawandelberater des
       Ölkonzerns], brüstete sich vor Ort mit seinem erfolgreichen Lobbyismus, wie
       das US-Magazin The Intercept damals berichtete. „Wir haben uns vier Jahre
       lang dafür eingesetzt, dass ein Emissionshandel Teil des Paris-Abkommens
       sein muss“, sagte Hone damals. „Wir können es uns also zum guten Teil
       zurechnen, dass es Artikel 6 überhaupt gibt.“
       
       Artikel 6 des Paris-Abkommens ist stark umstritten. Er macht offiziell,
       dass Staaten untereinander mit Klimaschutz handeln dürfen – eine Praxis,
       die viele Klimaschützer:innen grundsätzlich ablehnen, weil zahlreiche
       Schlupflöcher zulasten des Klimaschutzes drohen. Diese Gefahr sehen sogar
       die Idealist:innen, die die Klimamärkte grundsätzlich begrüßen – und
       drängen auf strenge Handelsregeln. Der Punkt wird deshalb ständig auf
       Weltklimakonferenzen debattiert – und sprengt sie jedes Mal fast.
       
       Ist ja auch logisch: Fossile Konzerne besuchen die UN-Konferenzen, um die
       Ergebnisse in ihrem Sinne zu beeinflussen. Auch auf der COP in Glasgow
       seien die fossilen Lobbyist:innen zu stark vertreten, [2][beklagen die
       Nichtregierungsorganisationen Corporate Accountability, Corporate Europe
       Observatory, Glasgow Calls Out Polluters und Global Witness nun gemeinsam].
       Sie haben auf der öffentlichen Teilnehmer:innenliste nachgezählt: 503
       fossile Lobbyist:innen seien vor Ort, sagen die NGOs.
       
       Gezählt wurden alle, die auf der Gehaltsliste fossiler Firmen stehen, auch
       wenn sie nicht offiziell für diese vor Ort sind. Typischerweise läuft es so
       ab wie bei David Hone von Shell, der laut Teilnehmer:innenliste
       gerade erneut in Glasgow weilt, und zwar für die Internationale
       Emissionshandelsgemeinschaft (IETA). Konzernvertreter:innen erklimmen
       also die Klimagipfel für Handelskammern und Wirtschaftsverbände. Diese
       gelten bei den Vereinten Nationen als zivilgesellschaftliche Beobachter der
       Verhandlungen, wie die Umweltverbände.
       
       ## Mehr Lobbyisten als Vertreter von Brasilien
       
       Teilweise sind es aber auch die verhandelnden Regierungen selbst, die
       Lobbyist:innen als Teil ihrer Delegationen mitbringen. Bei 27 Ländern
       ist das dieses Jahr der Fall, darunter Kanada, Russland und Brasilien.
       
       Würde man die fossilen Lobbyist:innen auf der Weltklimakonferenz
       zählen, wäre diese größer als die größte Regierungsdelegation, rechnen die
       vier NGOs vor. Das ist Brasilien mit 479 Leuten. Zum Vergleich: Deutschland
       hat 120 Leute entsandt, darunter [3][Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel],
       Unterhändler:innen, Abgeordnete, Berater:innen und
       Pressesprecher:innen.
       
       Öl-, Gas- und Kohlefans könnten keine konstruktive Rolle spielen, findet
       Rachel Rose Jackson von Corporate Accountability. „Die Architekt:innen
       der Klimakrise können keine lebenswerte und gerechte Zukunft bauen, wo sie
       das Haus ja schon niedergebrannt haben“, sagt sie.
       
       Auch Pascoe Sabido von Corporate Europe Observatory findet, dass niemand
       Einfluss auf die Spielregeln nehmen sollte, der selbst mit Geld im Spiel
       ist. „Die COP 26 wird als Ort der gesteigerten Ambitionen verkauft, aber
       sie ist voll mit fossilen Lobbyist:innen, deren einzige Ambition es ist, im
       Geschäft zu bleiben“, meint er.
       
       Die fossilen Fünfhundert dominieren die COP allerdings nicht. Insgesamt
       nehmen fast 40.000 Menschen teil. „Glasgow“ ist damit der größte
       Klimagipfel, den es je gab. Gut die Hälfte der Teilnehmer:innen gehört
       zu den knapp 200 Regierungsdelegationen. Hinzu kommen mehr als 3.700
       Journalist:innen, Angehörige der UN und zwischenstaatlicher Institutionen.
       
       Und dann sind 11.734 Personen für eine zivilgesellschaftliche Organisation
       vor Ort. Zu ihnen gehören der UN-Definition nach eben auch
       Wirtschaftsverbände, obwohl sie private Interessen vertreten. Ansonsten
       handelt es sich um Organisationen, die das Gemeinwohl im Blick haben, vor
       allem Klima- und Umweltgruppen, aber etwa auch Entwicklungsorganisationen,
       Frauenverbände, Gewerkschaften. Und nicht zu vergessen:
       Lobbyismus-Kritiker:innen.
       
       9 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.klimareporter.de/klimakonferenzen/mit-fossilen-gruessen
 (DIR) [2] https://www.corporateaccountability.org/media/release-fossil-fuel-lobbyists-outnumber-any-country-delegation-to-cop26/
 (DIR) [3] /Angela-Merkel-wird-bei-der-COP-gefeiert/!5809008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Schwarz
       
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