# taz.de -- Gerhard Steidls Kunsthaus Göttingen: Die Schönheit der Tiere
       
       > Das Kunsthaus Göttingen ist Teil von Gerhard Steidls geplantem
       > Kunstquartier. Die erste Ausstellung gilt dem „Modell Tier“ in der
       > Fotografie.
       
 (IMG) Bild: Zu sehen im Kunsthaus Göttingen: Jo Longhurst, I know what you are thinking 4/4 (2003)
       
       [1][An aktuellen Ausstellungen zum Klimawandel mangelt es nicht.] Nun
       beschäftigen sich zunehmend mehr Künstler speziell mit den Lebensräumen von
       Tieren und ihrer Darstellung im Bild. Die Schau „Modell Tier“ im Kunsthaus
       Göttingen stellt acht zeitgenössische Positionen vor.
       
       Dass der Schwerpunkt auf fotografischen Arbeiten liegt, verwundert nicht,
       schließlich war die Kuratorin [2][Ute Eskildsen] bis zu ihrer Pensionierung
       als Leiterin der fotografischen Sammlung am Museum Folkwang tätig. Dort
       hatte sie sich bereits 2006 in einer großen Übersichtsschau unter
       unterschiedlichen Aspekten dem Phänomen Tier gewidmet. In Göttingen stehen
       der Ausstellungsmacherin nun wesentlich kleinere Räumlichkeiten zur
       Verfügung. Diese nutzt sie aber dramaturgisch sehr gut, um die
       ausgestellten Werke in einen Dialog zu setzen.
       
       Den Auftakt geben im Erdgeschoss Jo Langhursts Porträts von Windhunden. Die
       English Wippets stehen einzeln vor einem neutralen Hintergrund und schauen
       den Betrachter direkt an. Ungewöhnlich ist, dass nicht das ganze Tier
       abgebildet ist, sondern jeweils nur dessen Kopf und Brust. Dadurch
       verschiebt sich die Wahrnehmung. Statt der extremen Dürrheit der Jagdhunde
       steht die Individualität des einzelnen Tieres im Fokus.
       
       ## Frei lebende Schakale im Nachtsichtgerät
       
       Bei Michal Rovner wird der Besucher zum beobachteten Subjekt. Die
       israelische Künstlerin filmte mit einem Nachtsichtgerät frei lebende
       Schakale. Die grobkörnig-grauen Videos werden auf zwei gegenüberliegende
       Wände in einem ansonsten leeren Raum projiziert, sodass der Betrachter
       gleichsam zwischen den Tieren steht. Verstärkt wird die unheimliche
       Atmosphäre durch die Augen der Schakale, die aufgrund der Aufnahmetechnik
       wie weiße Punkte leuchten.
       
       Die von Thomas Struth fotografierten Füchse, Bären und Wildkatzen aus der
       Sammlung eines zoologischen Instituts wurden nicht wie üblich in Haltungen
       präpariert, die Lebendigkeit vortäuschen. Stattdessen sind sie ganz
       offensichtlich tot. Ein deutlicher Verweis darauf, dass die abgebildeten
       Arten vom Aussterben bedroht sind. Wurden in der Geschichte der Kunst
       beispielsweise Ratten oder Fliegen als Vanitas-Symbole genutzt, so sind die
       hier abgebildeten Tiere Stellvertreter ihrer eigenen Art.
       
       Eines wissenschaftlichen Zugangs bediente sich ebenfalls Sanna Kannisto für
       ihre poetisch anmutende Rauminstallation. In einem mobilen Feldstudio
       filmte die Finnin vor weißem Hintergrund kleine Vögel, die auf zierlichen
       Zweigen sitzen. Wie in den Bildern von Jo Longhurst blendet die Künstlerin
       den Kontext aus, um den Blick auf die Schönheit und Details der Tiere zu
       lenken.
       
       ## Tiergeschichten in Kinderbuchillustrationen
       
       Weitere Arbeiten der Ausstellung stammen von Roni Horn, Tomasz Gudzowaty,
       Olivier Richon und einer Arbeitsgruppe der Universität Göttingen, die mit
       Fotofallen Tierbestände erfasst. Eine feine Ergänzung zu Film und Foto sind
       die Illustrationen für Kinderbücher, in denen Wolf Erlbruch kuriose
       Tiergeschichten erzählt. Die wohl bekannteste handelt vom Maulwurf, dem ein
       anderes Tier auf den Kopf gemacht hat. Erlbruchs heitere Bilderwelt ist
       eine wohltuende Auflockerung in dem überbetont sachlich-strengen Kunsthaus.
       
       Dessen sachlich-strenge Architektur stammt vom Leipziger Atelier ST, dem
       zweitplatzierten Büro im 2016 von der Stadt und [3][Gerhard Steidl]
       ausgeschriebenen Architekturwettbewerb. Das Haus ist Teil von Gerhard
       Steidls Kunstquartier. Mit ihm will der Göttinger Verleger das eher öde
       Universitätsstädtchen aufwerten und beleben.
       
       Neben dem Verlagshaus und einem Gästehaus, in dem Künstler und Autoren
       während der Buchproduktion beherbergt werden können, ließ Steidl ein
       Fachwerkhaus aus dem 14. Jahrhundert zum Günther-Grass-Archiv umbauen. Im
       vergangenen Jahr eröffnete dann das Kunsthaus Göttingen, in dem
       Papierarbeiten, Fotografie und neue Medien gezeigt werden.
       
       ## DGPH-Kulturpreis für Ute Eskildsen
       
       Als nun Mitte Oktober im Kunsthaus die Verleihung des DGPH-Kulturpreises an
       Ute Eskildsen stattfand, stellte Gerhard Steidl zwei weitere Bauprojekte
       vor. Auch ihre Architekten sind für ihren Minimalismus bekannt, ihren
       Bauten ist jedoch stets ein Hauch fließender Eleganz eingeschrieben.
       [4][Peter Zumthor] soll ein Haus für den Kinderbuchverlag Little Steidl
       bauen, was aber seit Jahren aufgrund des Einspruchs vom Besitzer des
       Nachbargrundstücks stockt.
       
       Neu ist die Nachricht, dass [5][David Chipperfield] einen Turm plant, der
       alle anderen Gebäude der Stadt überragt. Der Bau soll ein Papiermuseum und
       einen Teil der privaten Fotobuchsammlung von Manfred Heiting beherbergen.
       Ebenso gut und vermutlich noch passender, da er eng mit dem Verlag Steidl
       verbandelt war, wäre sicher die Aufnahme von [6][Karl Lagerfelds]
       legendärer Buchkollektion. Über deren Verbleib aber rätselt derzeit die
       Fotoszene.
       
       17 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ausstellung-Ruhr-Ding-Klima/!5775854
 (DIR) [2] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Ute+Eskildsen+taz
 (DIR) [3] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Gerhard+Steidl+taz
 (DIR) [4] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Peter+Zumthor+taz
 (DIR) [5] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=David+Chipperfield+taz
 (DIR) [6] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Karl+Lagerfeld+taz
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Weckesser
       
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