# taz.de -- Deutsche Trainer in der Premier League: German Know-how
       
       > Manchester United möchte mit Interimstrainer Ralf Rangnick aus der Krise
       > finden. Das ist keine schlechte Idee.
       
 (IMG) Bild: Motor der Modernisierung: Ralf Rangnick soll ManU in die Spur bringen
       
       Angeblich sitzen Bruno Labbadia, Jens Keller und Manuel Baum wie andere
       arbeitslose deutsche Trainer auch derzeit vor ihren Smartphones und warten
       gespannt auf einen Anruf aus England. Deutsche Fachkräfte werden auf die
       Insel gelockt, und dabei handelt es sich nicht nur um Angebote für
       LKW-Fahrer oder Pfleger, nein, deutsche Fußballexperten mit der Lizenz zum
       Trainieren sind anscheinend gefragt. Ihnen wird nach den Wundertaten von
       Jürgen Klopp und Thomas Tuchel fast alles zugetraut. Kein Wunder, dass
       jetzt Ralf Rangnick von Manchester Uniteds Kluboberen als Übergangstrainer
       bestellt wurde; danach soll er den Verein zwei Jahre lang beraten.
       
       Noch in den Nullerjahren war es so, dass Krauts an der Linie so gar nicht
       vermisst wurden. Das „Made in Germany“ galt in seiner ursprünglichen, Ende
       des 19. Jahrhunderts in Großbritannien geprägten Bedeutung: als Warnung vor
       vermeintlicher Ausschussware. Doch auch Produktkennzeichnungen unterliegen
       dem Wandel der Zeit, und so kam es, dass dieses „Made in Germany“ zum
       Qualitätssiegel wurde, offenbar auch in bestimmten Bereichen des Fußballs.
       
       Dass Ralf Rangnick, 63, jetzt nach Manchester geholt wurde, kommt nicht von
       ungefähr, gilt er doch als innovative Kraft, die sich nicht scheut, mit
       veralteten Methoden zu brechen. In England schätzt man Rangnick als Motor
       der Modernisierung, der seit gut 30 Jahren tuckert. Rangnick steht dabei in
       einer Traditionslinie von Um- und Neugestaltern wie Ernst Happel,
       [1][Arrigo Sacchi,] Valerij Lobanowskyj oder Zdenek Zeman. Sie haben ihren
       Fußballern Raumdeckung beigebracht, die hoch verteidigende Viererkette, das
       schnelle Passspiel, vor allem aber eine Wunderwaffe: das Gegenpressing.
       
       Im neuen Fußballdenglisch hat sich sogar das Tuwort to gegenpress
       eingebürgert – und man liegt nicht ganz falsch, wenn man sagt: Für diese
       Wortneuschöpfung ist Ralf Rangnick mitverantwortlich, ein Typ mit
       Macherqualitäten, die hierzulande zwar anerkannt, aber nie so richtig
       gewürdigt wurden.
       
       ## Arbeit an der Fußballformel
       
       Die Fußballfraktion der alten Schule wärmt immer wieder Rangnicks [2][Image
       als „Fußballprofessor“] auf, der im ZDF-Sportstudio altklug mit der
       Taktiktafel hantiert. Rangnick ist sicherlich kein Quereinsteiger in den
       Fußball gewesen, er spielte ja unterklassig. Aber er gehörte eben nicht zur
       Kaste der Ersttliga-Profis, die vom Aktiven zum Trainer werden. Das weitete
       seinen Blick. Rangnick etablierte das Videostudium, die Arbeit mit
       Sportpsychologen. Im Grunde wollte er von Anfang an den Fußball berechenbar
       machen. Er arbeitete an einem Destillat, in dem sich alle Ingredienzien für
       den Erfolg finden.
       
       Dabei machte er verblüffende Entdeckungen, die sich heute in der Liste der
       Inhaltsstoffe von Klubs wie Liverpool und des FC Chelsea (aber nicht nur
       da) finden: Rangnicks erstes Gebot: Die größte Chance, ein Tor zu erzielen,
       ist innerhalb von zehn Sekunden nach dem Gewinn des Balls. Nummer zwei: Die
       größte Chance, den Ball zurückzugewinnen, nachdem man ihn verloren hat, ist
       innerhalb von acht Sekunden.
       
       Seit diesen Rangnick’schen Postulaten sehen wir eine beispiellose Hatz nach
       dem Ball, bei dem vor allem die vertikalen Pässe attackiert werden. Das
       Netz wird immer enger geknüpft. Die Reaktionszeiten, in denen Spieler
       Entscheidungen treffen, werden stetig kürzer. Es ist kein Zufall, dass die
       Rangnick-Adepten Jürgen Klopp und Thomas Tuchel an der Spitze der Bewegung
       stehen.
       
       Jetzt soll auch das nach seiner Identität fahndende Manchester United in
       den Zirkel der Modernisten aufgenommen werden. To gegenpress, das wird
       jetzt die nervige Aufgabe von Paul Pogba und Cristiano Ronaldo sein. Wir
       sind gespannt.
       
       26 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Arrigo_Sacchi
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=YdptfWFOLkQ
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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