# taz.de -- Abschiebung in ein unbekanntes Land: Razzia bei den Eltern
       
       > Im Emsland hat die Ausländerbehörde nachts versucht, einen jungen, in
       > Deutschland geborenen und aufgewachsenen Mann in den Kosovo abzuschieben.
       
 (IMG) Bild: Hat nicht mal Familie im Kosovo und wüsste nicht, wer ihm dort helfen könnte: Leonard S
       
       BREMEN taz | Leonard S. war selbst gar nicht zu Hause, als er [1][in den
       Kosovo abgeschoben] werden sollte. Der 21-jährige, in Deutschland geborene
       Mann habe sich in Bremerhaven aufgehalten, wo er arbeitet und unter der
       Woche lebt, so schildert es sein Bremer Rechtsanwalt Jan Sürig in einer
       Presseerklärung. Um ein Uhr in der Nacht zum Donnerstag, heißt es darin
       weiter, sei eine zehnköpfige Gruppe aus Mitarbeiter:innen der
       Ausländerbehörde und Polizist:innen in das Haus seiner Mutter im
       Emsland eingedrungen und hätte dieses durchsucht. Und das auch noch laut
       Sürig ohne einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss.
       
       Nun versuchen regelmäßig deutsche Ausländerbehörden, Menschen abzuschieben,
       auch solche, die nie in einem anderen Land gelebt haben, Menschen, die hier
       ihre Freund:innen und eine Arbeit haben. Sehr häufig in der Nacht oder
       den frühen Morgenstunden. In vielen Fällen gelingt ihnen dies auch, mit
       gravierenden Folgen für die Betroffenen.
       
       Dieser Fall weist aber ein paar weitere Härten auf. Zum einen, so stellt es
       der Anwalt dar, hätte die Ausländerbehörde gewusst, dass Leonard S. gar
       nicht da war – dafür aber seine Mutter und vier jüngere Geschwister im
       Alter von 13 bis 19, von denen eine, seine 18-jährige Schwester, einen
       Herzschrittmacher trage.
       
       Leonard S.erzählt der taz am nächsten Tag am Telefon, wie ihn sein
       16-jähriger Bruder kurz nach eins angerufen hat, um ihm zu sagen, dass die
       Polizei im Haus ist. „Das muss wie im Film gewesen sein“, sagt Leonard S.,
       hörbar verstört, „als würde dort ein Schwerverbrecher leben.“ Seine Familie
       sei die ganze Nacht wach gewesen, „die stehen alle unter Schock“. Er selbst
       wisse nicht, wo hinten und vorne sei, sagt er.
       
       Erinnerungen seien wach geworden an die Zeit im Winter vor sieben Jahren,
       als seine Mutter mitsamt den fünf Kindern in den Kosovo abgeschoben werden
       sollte. Damals hatte der Anwalt Sürig erreicht, dass das Verwaltungsgericht
       Osnabrück den Landkreis dazu zwang, die Aufenthaltsgenehmigung der Familie
       zu verlängern. Leonard S. erzählt noch, dass er [2][nicht einmal Familie im
       Kosovo] habe und gar nicht wisse, wer ihm dort helfen könne, dann bricht er
       plötzlich das Gespräch ab und seine Freundin ist am Telefon. „Er hält das
       immer nur ein paar Minuten durch, dann bricht er zusammen“, sagt sie, die
       mit ihm seit sieben Jahren zusammen ist, „und ich würde ihm so gerne
       helfen, aber ich weiß gar nicht wie.“
       
       ## Verstörte Geschwister
       
       Dass der Ausländerbehörde klar gewesen sein muss, dass sie in dieser Nacht
       nur Leonards Mutter und Geschwister verstören würde, liegt nahe. Denn er
       hatte bereits im Oktober beim Landkreis beantragt, seine Wohnsitzauflage
       für das Emsland aufzuheben – mit der Begründung, dass er sich unter der
       Woche in Bremerhaven aufhält, sein Vater und seine Freundin leben dort.
       
       Seit dem 15. November hat er einen neuen Arbeitsvertrag als Staplerfahrer.
       Daraufhin, so sagt es sein Anwalt, habe die Sachbearbeiterin der
       Ausländerbehörde ihn verpflichtet, jeden Donnerstagmorgen um halb neun bei
       ihr zu erscheinen.
       
       Am gestrigen Donnerstag wäre der erste dieser Termine gewesen, den die
       Ausländerbehörde dann offenbar wohl nicht mehr abwarten wollte. Der
       Rechtsanwalt des jungen Mannes sagt, er habe vorher den Abteilungsleiter
       der Behörde angerufen und ihm gesagt, dass Leonard S. nicht erscheinen
       werde. Dafür habe er Klage gegen die Aufforderung zur Vorsprache erhoben
       und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz dagegen sowie gegen eine
       drohende Abschiebung beim Verwaltungsgericht Osnabrück eingelegt. Für
       Rechtsanwalt Sürig ist das Handeln der Ausländerbehörde Schikane: „Der
       Landkreis Emsland will das neue Arbeitsverhältnis gezielt zerstören und
       Leonard abschieben.“
       
       Eine Sprecherin des Landkreises beantwortete eine Reihe von Fragen der taz
       mit Verweis auf den Schutz von Personendaten nicht, etwa zu der Frage, ob
       die Ausländerbehörde wusste, dass Leonard S. sich gar nicht in der Wohnung
       aufhielt und dass seine Schwester einen Herzschrittmacher trage. Oder wann
       der Landkreis über seinen Antrag, den Wohnsitz verlegen zu dürfen,
       entscheiden wird.
       
       Keine Kollision mit dem Schutz von Personendaten sieht die Sprecherin
       hingegen in der Mitteilung, Leonard S. sei seit 2018 ausreisepflichtig und
       habe versäumt, seine aufenthaltsrechtliche Situation zu klären. Dazu sagt
       sein Anwalt Jan Sürig, sein Mandant habe nicht gewusst, dass er zum
       Nachweis seiner Berufstätigkeit nicht nur den Arbeitsvertrag, sondern auch
       die Gehaltsabrechnungen hätte vorlegen müssen. „Das hat er dann vor zwei
       Wochen aber nachgeholt und ab dem Zeitpunkt hat die Ausländerbehörde dann
       so richtig aufgedreht und kam unter anderem auf die Idee mit dem
       Vorsprechen.“
       
       4 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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