# taz.de -- Debatte um die Impfpflicht: Ja oder nein?
       
       > Die Inzidenzen steigen so rasant wie nie. Führt also kein Weg an der
       > Impfpflicht vorbei? Oder reicht eine konsequente Umsetzung der
       > 2G-Maßnahmen?
       
 (IMG) Bild: Ein Piks, dann noch einer, irgendwann ein letzter. Es könnte so einfach sein
       
       ## Ja – wir brauchen die Impfpflicht!
       
       Natürlich muss es die [1][Impfpflicht] geben. Es hätte sie längst geben
       müssen. Und es gibt sie ja auch schon überall, wo nur Geimpfte und Genesene
       Zutritt haben, wie in [2][Baden-Württemberg] und andernorts und bald
       hoffentlich bundesweit. Im öffentlichen Leben ist für Ungeimpfte nahezu
       kein Platz mehr. Warum also das Kind nicht beim Namen nennen – nicht
       zuletzt, um ein Stück verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
       
       Vertrauen hat die Politik verloren, denn es hieß, dass es eine Impfpflicht
       niemals geben würde. Sollte sie deshalb an ihren Fehlern festhalten? Weil
       sie, wenn sie jetzt den Kurs ändert, denen, die nur darauf gewartet haben,
       das entscheidende Argument zuschiebt? „Aha – haben wir’s doch gewusst!“,
       werden die [3][VerschwörungstheoretikerInnen] sagen, die sich ohnehin von
       niemandem belehren lassen, außer vielleicht von denen, die genau denselben
       Unsinn denken wie sie selbst.
       
       Zu keinem Thema gab es intensivere Aufklärungskampagnen als zu Corona und
       Impfungen. Mit entblößtem Oberarm und Pflaster lächelten uns die deutschen
       TV-Stars entgegen, und in endlosen Interviews beteten WissenschaftlerInnen
       unisono das Mantra herunter: Impfen ist nicht annähernd so gefährlich wie
       ein Erkranken. Und auf ein Erkranken läuft es hinaus, denn dem Virus ist
       nicht zu entkommen.
       
       Lasst sie doch reden die Impfunwilligen, die Impfverweigerer und -gegner.
       Es spielt keine Rolle, wie sie auf eine Impfpflicht reagieren. Wichtig ist,
       den Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Nichts ist logischer, als sich
       auf eine Situation, in der man täglich Neues lernt, auch immer wieder neu
       einzustellen. Niemand soll sagen, man habe nicht versucht, den Ängstlichen,
       den Unbelehrbaren, den Störrischen gut zuzureden.
       
       Wie unsäglich unsolidarisch ist es, sich der Spritze zu verweigern. Eine
       Minderheit hält das Land im Schwitzkasten. Wieder sind die
       [4][Krankenhäuser] überfüllt, wieder sind Ärztinnen und Krankenpfleger zu
       Überstunden gezwungen, um genau diejenigen zu pflegen, die die Misere zu
       verantworten haben. Nicht zuletzt mit Blick auf das Pflegepersonal, für das
       die Impfpflicht nicht erst seit gestern diskutiert wird, ist eine
       allgemeine Impfpflicht mehr als angebracht.
       
       [5][Die Zahl 100.000 rückt gnadenlos näher]. 100.000 Menschen, die im
       Zusammenhang mit dem Virus ihr Leben ließen. Was muss noch passieren? Eine
       generelle Impfpflicht wird die aktuelle Welle nicht bremsen. Trotzdem zählt
       jeder Tag, denn die fünfte Welle kommt bestimmt. Susanne Knaul
       
       ## Nein – bloß keine Impfpflicht!
       
       Auf die Sache kommt es an – nicht auf den Schein von politisch-aktueller
       Kompetenz. Eine Impfpflicht zu beschließen würde viel hermachen,
       parlamentarisch, diskursiv, vor allem aber rechtspolitisch. Bis alle
       rechtlichen Instanzen eine von der neuen Ampelkoalition beschlossene
       Impfpflicht durchgeknetet und für verfassungsrechtlich okay befunden haben,
       würden Monate vergehen. Für Tausende wären dies: tödliche Monate.
       
       Nach Impfpflicht zu rufen ist ein feiner Charakterzug, aber die Forderung
       kann nur so tun, als hätte sie Substanz, denn sie wäre eben juristisch
       anfechtbar. Die Sache selbst, um die es geht, ist folgende: Es müssen
       binnen kürzester Frist möglichst mindestens 90 Prozent aller in Deutschland
       lebenden Menschen geimpft sein, um eine im Frühsommer scheinbar gut
       gemanagte Pandemie nicht in den reinen Horror münden zu lassen.
       
       Kritiker*innen des Impfens berufen sich auf die Idee ihrer Freiheit,
       manche unserer Leser*innen kritisieren gar vorwurfsvoll, dass wir die
       Interessen der Pharmaindustrie übersehen, die ja am Impfen zuvörderst ein
       Interesse hat. Mag sein. Auch Unternehmen dieser Branche wollen schließlich
       nicht ehrenamtlich wirtschaften. Tatsache ist, dass ohne [6][kollektive
       Herdenimmunität], zu der das Impfen optimal beiträgt, Deutschland ein
       Toten- und Siechenhaus würde, und zwar Weihnachten schon.
       
       Die Freiheit, auf die sich [7][Impfskeptiker*innen] berufen, diese
       Freiheit ist eine delirierender Egozentriker*innen, die ein ganzes Land in
       ihre Beugehaft nehmen. Wozu eine Impfpflicht führen könnte, lässt sich an
       den hooliganesken Demos in den Niederlanden beobachteten – gruselig
       durchweg, Zeichen eines nur persönlich verstandenen Individualismus, der
       von Solidarität so weit entfernt ist wie ein*e 180 km/h rasende
       Autofahrer*in in einer belebten Einkaufsstraße.
       
       Besser als eine Impfpflicht wäre der Verzicht auf Augenzwinkerei bei der
       2G-Regel. Dass nötigenfalls [8][Passagiere eines ICE] aus dem Zug geworfen
       werden, wenn sie sich nicht als 2G ausgewiesen haben; in Bussen, U- und
       S-Bahnen können die impfungeschützten Coronaschleuder*innen dann auch
       nicht mehr fahren. Wer sich in Züge und Abteile hineinmogelt, muss mit
       hohen Geldstrafen rechnen. Wer das kontrollieren soll?
       
       Ist doch klar: Polizei, Ordnungsämter – und auch die beschäftigungsarmen
       Leute der Bundeswehr. Es herrscht Notstand, also dürfen sie das. Das
       Larifari des Anything goes muss ein Ende haben. Eine Impfpflicht wäre
       hingegen nur eine politische Geste, die ihr Ziel kaum erreichen würde. Jan
       Feddersen
       
       22 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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