# taz.de -- Volksentscheid in Neukaledonien: Belastete Geschichte
       
       > Neukaledonien hat gegen die Autonomie gestimmt. Doch das heißt
       > mitnichten, dass die Inselgruppe auf ewig französisch bleiben wird.
       
 (IMG) Bild: „Die letzte“ Abstimmung über die Unabhängigkeit Neukaledoniens? Zumindest Paris sieht das so
       
       Dem haushohen Nein beim [1][Volksentscheid über die Selbstbestimmung
       Neukaledoniens] kann kaum Bedeutung zugeschrieben werden. Denn wie erwartet
       war die Beteiligung wegen des Boykotts der Unabhängigkeitsbewegung FLNKS
       und der einheimischen Kanak, die die große Mehrheit in der Bevölkerung
       stellen, extrem niedrig. In Paris betont man, dass die dritte Abstimmung
       über eine Unabhängigkeit Neukaledoniens von Frankreich nun „die letzte“
       gewesen sei.
       
       Schluss also mit der Debatte über die Autonomie der Insel im Südpazifik?
       Sollte die französische Staatsführung das wirklich denken, macht sie sich
       gravierende Illusionen. Die Frage der [2][Entkolonisierung] lässt sich
       nicht einfach mit formalen Argumenten unter den Teppich kehren. Dazu ist
       die Geschichte zu sehr belastet von Unterdrückung, Gewalt und politischer
       Hinterlist.
       
       In den historischen Vereinbarungen von 1998 zwischen den „Separatisten“ und
       „Loyalisten“ war ein Protokoll vorgesehen für einen politischen Prozess,
       der mit dem schrittweisen Übergang zur Unabhängigkeit enden würde. Dass das
       „Referendum“ zur Loslösung von der Kolonialmacht Frankreich dreimal negativ
       ausgehen würde, war nicht geplant. Stattdessen endet dieser Prozess in
       einer Sackgasse.
       
       Die [3][FLNKS] fühlt sich übergangen und gedemütigt, denn ihr Wunsch, den
       Termin für die Abstimmung wegen der Pandemie zu verschieben, ist von der
       Zentralmacht in Paris arrogant abgewiesen worden. Das Referendum vom 12.
       Dezember geht so ganz anders in die Geschichte ein, als man es vor zwei
       Jahrzehnten erwartet hatte. Denn es endet nicht mit einem demokratischen
       Mehrheitsentscheid, den auch die Unterlegenen akzeptieren könnten.
       
       Im Gegenteil: Es verschärft die Spannungen und die Spaltung zwischen den
       aus Europa und zum Teil aus Polynesien zugewanderten „Caldoches“, die sich
       als integraler Bestandteil der französischen Nation fühlen, einerseits und
       den melanesischen Kanak, die auf ihre angestammten Rechte und ihre Kultur
       pochen, auf der anderen Seite. Gerade jetzt den Dialog zu beenden, kann
       fatale Folgen haben.
       
       13 Dec 2021
       
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 (DIR) [3] https://msgsec.info/kanak-socialist-national-liberation-front-flnks/
       
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 (DIR) Rudolf Balmer
       
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