# taz.de -- Kinderimpfung gegen Corona: Ihr Kinderlein, rettet uns!
       
       > Jetzt sollen auch 5- bis 11-Jährige geimpft werden. Die Politik nimmt die
       > Kinder in eine Verantwortung, der sich Erwachsene nicht stellen.
       
 (IMG) Bild: Aua, immer auf die Kleinen!
       
       Was hat sich die Politik den Mund fusselig geredet! Seit Monaten
       appellieren, drängen, ja flehen die Volksvertreter:innen: Bitte,
       bitte, bitte lasst euch impfen! Sonst kollabiert das Gesundheitssystem.
       Sonst können wir Weihnachten nicht mit unseren Liebsten feiern. Sonst
       müssen doch wieder die Schulen schließen und die Jüngsten erneut die
       Verantwortungslosigkeit der Erwachsenen ausbaden. Auch wenn es schmerzt:
       Momentan scheinen sich alle Befürchtungen zu bewahrheiten.
       
       Das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, an Weihnachten wird der eine
       oder andere Liebste schon nicht mehr unter uns sein, und Schulschließungen
       sind trotz aller Beteuerungen, die Schulen bleiben offen, längst wieder an
       der Tagesordnung, weil den Gesundheitsämtern vor Ort zum Teil gar nichts
       anderes übrig bleibt. Von regionalen Lockdowns, nervigen Testpflichten
       auch für Geimpfte und Genesene oder drohendem Shutdown für alle ganz zu
       schweigen. Na dann frohes Fest!
       
       Es ist gut, dass Kanzler Scholz in dieser Situation eine nationale
       Kraftanstrengung beschwört („30 Millionen Impfungen bis Weihnachten“).
       Leider wird sie von der Gruppe, die uns die frustrierendste Adventszeit
       ever eingebrockt hat, weitgehend ignoriert. [1][Zwei von drei Ungeimpften
       wollen sich auf keinen Fall impfen lassen]. Dass ausgerechnet eine
       Impfpflicht die Verweigerer zur Einsicht führt, muss man nach den
       bisherigen Erfahrungen bezweifeln. Und dass die wundersame Verwandlung des
       Fußballers Kimmich vom Impfskeptiker zum Impfbotschafter Hartgesottene
       umstimmt, ist wohl vor allem Karls Wunschdenken.
       
       Kein Wunder, dass viele jetzt hoffnungsvoll auf die Kinderimpfungen
       blicken, die diese Woche in Deutschland anlaufen. Virologisch betrachtet
       macht es ja Sinn: Sind Millionen Kinder zwischen 5 und 11 Jahren erst
       durchgeimpft, haben wir die Impflücke wieder ein Stück weiter geschlossen.
       Ein wichtiger Schritt zur Drosten’schen Prophezeiung, dass wir eines Tages
       gut mit dem Virus werden leben können. Dafür muss halt ein Großteil der
       Bevölkerung immunisiert sein gegen Covid-19, also auch die Jüngsten.
       
       ## Die Politik sollte den Druck von den Kindern nehmen
       
       Die Frage ist nur: wie? Impfung oder Infektion? Das Robert Koch-Institut
       jedenfalls hat davor gewarnt, die Kinder einfach so zu durchseuchen. Denn
       ja: Mit höheren Inzidenzwerten – aktuell liegt die „Kinderinzidenz“ bei 863
       – steigen auch die (an sich seltenen) schweren Krankheitsverläufe an. Und
       auch die Long-Covid-Fälle.
       
       Dennoch sind die Kinderimpfungen in mehrfacher Hinsicht problematisch.
       Allen voran, wie die Politik sie nun für die Ziele einspannt, die sie
       bislang nicht auf die Reihe bekommen hat. Wenn die neue Bildungsministerin
       Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Impfung von Schulkindern zum wichtigen
       Beitrag erklärt, den Präsenzunterricht in Schulen zu sichern und „erneute
       flächendeckende Schulschließungen zu verhindern“, ist das ein komplett
       falsches Signal. Die Kinder sollen also wieder den Karren aus dem Dreck
       ziehen.
       
       Wer nicht mitmacht, nimmt baldigen Distanzunterricht in Kauf. So jedenfalls
       kann man die Worte von Stark-Watzinger verstehen. Damit setzt sie die
       Falschen unter Druck.
       
       Noch problematischer ist jedoch, dass Kinder und deren Eltern jetzt mit
       einer Entscheidung allein gelassen werden, zu der es bislang wenig klare,
       dafür aber erstaunlich unterschiedliche Empfehlungen gibt. Die
       Bildungsminister:innen raten allen Kindern zur Impfung – die Stiko
       aktuell nur denen, die eine Vorerkrankung oder gefährdete
       Familienmitglieder haben. Die Befürworter verweisen auf frische Daten aus
       den USA, wonach bei 5 Millionen geimpften Kindern keine nennenswerten
       Nebenwirkungen aufgetreten sind.
       
       Die notorisch zurückhaltende Stiko hält die bisherige Datenlage für nicht
       ausreichend – behält sich aber vor, ihre Empfehlung zu einem späteren
       Zeitpunkt anzupassen. Es sieht so aus, als laufe alles genauso chaotisch –
       und laaaaangsam – wie bei den Impfungen für die 12- bis 17-Jährigen.
       Zurückhaltung, Druck von der Politik, spätes Go. Das trägt nur zur
       Verunsicherung bei. Genauso ist es jetzt wieder.
       
       Mit einem Unterschied: Omikron. In Südafrika sind wegen der Mutation
       aktuell auch auffällig viele Kinder im Krankenhaus. Sollte sich bestätigen,
       dass Omikron zu mehr schweren Fällen bei Jüngeren führt, wäre eine
       Stiko-Empfehlung für alle Kinder überfällig. Doch momentan sollte die
       Politik den Druck von den Kindern nehmen und noch stärker auf die
       ungeimpften Erwachsenen lenken. Nicht die Kinder müssen etwas für unseren
       Schutz tun – sondern wir für ihren.
       
       13 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/ungeimpfte-wollen-sich-nicht-ueberzeugen-lassen.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Pauli
       
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