# taz.de -- Wortwahl in der Pandemie: Autoritäre Sprache
       
       > Corona hat viele neue Ausdrücke in die Alltagssprache gespült, die
       > meisten davon sind harmlos. Das Wort „Absondern“ ist es nicht.
       
 (IMG) Bild: Klingt nicht nur nach ausgrenzen, ausschließen, nicht mehr dazugehören. Das meint es auch
       
       An diesen Tagen der multiplen Koordination von Adventskalendern,
       Auffrischungs-Impfterminen und medialen Jahresrückblicken braucht es vor
       allem eins: Struktur. Niemand hat das so schön klar gemacht [1][wie zu
       Beginn der Pandemie Josef Hader]. Der Kabarettist gab seiner Quarantäne mit
       dem strikt getakteten Konsum geistiger Getränke nebst serbischer
       Bohnensuppe Struktur. Bei Hader gehört zur Struktur natürlich die Sprache.
       Sprache schafft überhaupt erst Struktur, für Denken, Fühlen und amtliches
       Handeln.
       
       In Sachsen gibt es nun das „Infoblatt zur Absonderung in Sachsen“,
       abgesondert von der Landesregierung. „Sie dürfen nur raus, wenn Sie zum
       Arzt gehen müssen“, lautet die klare Botschaft. Beim Absondern ist
       allerdings künftig jedeR sich selbst überlassen, denn „ab sofort werden
       sich die Gesundheitsämter auf die Bearbeitung der Infektionsfälle und
       vulnerable Settings konzentrieren“, heißt es weiter. „Es erfolgt in der
       Regel keine Nachverfolgung und Absonderung von Kontaktpersonen mehr. Es
       handelt sich insoweit um einen Strategiewechsel.“
       
       Allerdings nicht um einen sprachlichen. Dabei bräuchte es hier einen
       strukturellen Umschwung, und nicht schlimmes Amtsdeutsch, schon gar nicht
       mit NS-Begriffen. Corona hat viele neue Ausdrücke in die Alltagssprache
       gespült. Die meisten davon sind harmlos, ein paar sogar latent lustig und
       andere einfach stulle. „Wellenbrecher“ ist gerade von der Gesellschaft für
       deutsche Sprache zum „Wort des Jahres“ gekürt worden.
       
       Die „Corona-Faust“ oder der „Fuß-Gruß“ werden hoffentlich irgendwann wieder
       hinter der „Spuckwand“ verschwinden wie das „PCR-Test“-Stäbchen in der
       Nase. Und die Auffrischungsimpfung heißt jetzt Boostern. „Da kommen nun
       sogar noch Begriffe aus der Raumfahrttechnik dazu“, sagt die Mitbewohnerin.
       „Per Startrakete schießen wir uns aus der Pandemie mit Detonator und
       Terminator.“
       
       ## In „Absondern“ steckt schlimme Sprache
       
       Aber in „Absondern“ steckt schlimme Sprache drin. Das klingt nicht nur nach
       ausgrenzen, ausschließen, nicht mehr dazugehören. Das meint es auch. Dabei
       geht es um eine medizinisch-vorsorgende Maßnahme, die eigentlich immer
       noch Quarantäne heißt. Bei „Quarantäne“ ist klar, dass es sich um nichts
       Endgültiges, sondern ein Durchgangsstadium handelt. „Absondern“ ist
       autoritäre Sprache und erinnert nicht nur ein bisschen an NS-Jargon.
       
       „Worte können sein wie winzige Arsendosen; sie werden unbemerkt
       verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist
       die Giftwirkung doch da“, hat [2][Victor Klemperer in seinem Buch „LTI“]
       über die Sprache des Dritten Reichs geschrieben. Und wenn sich solche Worte
       im Sprachalltag etablieren, bedroht das am Ende die demokratische Struktur.
       
       9 Dec 2021
       
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