# taz.de -- Meere als Bergbaureviere: Schätze aus der Tiefe
       
       > Manganknollen enthalten wertvolle Rohstoffe und wachsen in der Tiefsee.
       > Nur: Ihr Abbau stört die Ökosysteme. Nun wird ein Regelwerk verhandelt.
       
 (IMG) Bild: Wertvolle Ware: Manganknollen werden am Meeresboden untersucht
       
       Gerard Barron will die Tiefsee in ein Bergbaurevier verwandeln. Barron ist
       Chef der kanadischen Firma Deep Green, was so viel wie „Grüne Tiefsee“
       heißt. „Die polymetallische Knolle in meiner Hand ist ungefähr so groß wie
       eine Kartoffel. Es gibt sie in Hülle und Fülle. Sie liegen auf dem
       Meeresgrund. Sie enthalten all die Metalle, die wir für die grüne
       Energiewende brauchen“, erklärt Barron auf Konferenzen, in Talkshows und
       Werbevideos.
       
       Der Manager, eine Art Popstar der Szene, gibt sich gerne als
       Umweltschützer. Tiefseebergbau bedeute zudem: kein Kahlschlag an Land,
       keine Kinderarbeit. Vor allem sogenannte Manganknollen wecken
       Begehrlichkeiten. Sie sind voller Nickel, Kupfer, Kobalt und eben Mangan.
       Rohstoffe, die für Smartphones, Windmühlen oder E-Autos unentbehrlich sind
       – und nach denen die Nachfrage in der Industrie weltweit rasant wächst.
       
       Regelwerke für die Erkundung liegen seit Längerem vor, über Regeln für
       [1][den Abbau von Manganknollen] wird seit 2017 innerhalb der
       Internationalen Meeresbodenbehörde ISA diskutiert und verhandelt. Am Montag
       begann auf Jamaika die dreitägige Vollversammlung der 167 Mitgliedstaaten
       und der Europäischen Union. Die USA sind kein Mitglied. Barron und seine
       Mitstreiter hoffen auf einen politischen Durchbruch.
       
       Dabei sind bisherige Erfahrungen aus Sicht der Befürworter wenig
       ermutigend. Das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals war das erste
       Unternehmen weltweit, das den Meeresboden nach Industriemetallen erkundete.
       Im Januar 2011 erhielt es von der Regierung auf Papua-Neuguinea eine
       zwanzigjährige Lizenz für die Erschließung einer Lagerstätte. Fehlendes
       Kapital und die Kompliziertheit des Projektes ließen das Unternehmen
       scheitern. So liegen Manganknollen in 4.000 oder 5.000 Meter Tiefe – doch
       beispielsweise Marine-U-Boote halten dem Wasserdruck gerade mal in 500
       Meter Tiefe stand. Die Firma Nautilus ging im Jahr 2019 pleite.
       
       ## Erst Nautilus, dann Deep Green
       
       Manager von Nautilus, darunter Gerard Barron, gründeten dann Deep Green.
       Das Tiefsee-Start-up schlüpfte bald in eine börsennotierte
       Mantelaktiengesellschaft, eine sogenannte SPAC. Die betreiben zunächst kein
       eigenes Geschäft, sind aber an einer Börse notiert. Interessenten kaufen
       eine solche Gesellschaft und sind postwendend und mit minimalem Aufwand
       börsennotiert. Dadurch können sie sich über neue Aktien leicht frisches
       Kapital besorgen. Über diesen Börsen-Trick ist Deep Green als „The Metals
       Company“ seit Kurzem an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq notiert.
       
       Dass Barron nun auf der Jahrestagung der Meeresbodenbehörde ISA als
       Vertreter des Mikrostaates Nauru auftritt, mag daher auch der Kurspflege
       seines Konzerns dienen. Der kleine Inselstaat im Pazifischen Ozean hat
       derweil die sogenannte Zwei-Jahres-Regel gezogen. Innerhalb dieser Frist
       müsste die ISA nun Vorschriften für den großflächigen Abbau von
       mineralischen Rohstoffen schaffen. Ansonsten dürfte der Staat wohl ohne
       Regelwerk mit dem Bergbau auf hoher See beginnen.
       
       In diesen Tagen geht es auf Jamaika zunächst darum, sich auf einen
       Arbeitsplan zu einigen, wie in den nächsten zwei Jahren ein Regelwerk für
       Tiefseebergbau entstehen könnte. „Auf dem Thema i[2][st wahnsinnig viel
       Druck]“, so eine Sprecherin des World Wide Fund for Nature. Der WWF sieht
       die Gefahr, dass Prüfungsmechanismen zu kurz kommen und Tiefseebergbau in
       zwei Jahren „unter lückenhaften Bedingungen“ erlaubt werde. Und unter
       Ausschluss der Öffentlichkeit: „Im Moment laufen diese Diskussionen ja noch
       ziemlich unter dem Radar der Allgemeinheit.“
       
       Die Meeresbodenbehörde der Vereinten Nationen hat den Auftrag, Bodenschätze
       der Tiefsee als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ zu verwalten. Seit dem
       Jahr 2001 hat sie 31 Erkundungsverträge mit öffentlichen und privaten
       Institutionen abgeschlossen, heißt es im Umweltbundesamt. Diese
       „Explorationslizenzen“, meistens für Manganknollen, bleiben jeweils 15
       Jahre gültig. [3][Auch die Bundesrepublik hat zwei Forschungs-Claims
       abgesteckt].
       
       ## Sorge um vielfältiges Leben
       
       Kritiker des Tiefseebergbaus wollen auf der 26. ISA-Jahrestagung ein langes
       Moratorium durchsetzen. Sie fürchten um das vielfältige Leben rund um die
       Manganknollen vor allem im Pazifik. „[4][Störungen der
       Manganknollen-Ökosysteme] durch Tiefseebergbau würden über viele Jahrzehnte
       nachwirken“, mahnt das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
       
       Mit einem Durchbruch auf Jamaika rechnen Beobachter nicht. Auch, weil
       weitreichende Beschlüsse einer Zweidrittelmehrheit bedürfen. Aber wie in
       einem Schachspiel versuchen die Akteure jetzt, strategisch wichtige
       Positionen zu besetzen, um später die Verteidigung des Gegners zu
       durchbrechen. In fünf bis zehn Jahren soll mit dem kommerziellen Abbau
       begonnen werden. Barron stürmt dabei nicht alleine vor. Neben Deep Green
       nutzen Unternehmen wie die britische Seabed Resources, zusammen mit
       Lockheed Martin, oder eine belgische Gruppe Explorationslizenzen der
       Internationalen Meeresbehörde. Abbauvorhaben hat diese nicht genehmigt, da
       die rechtlichen Grundlagen fehlen. Noch.
       
       13 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Hermannus Pfeiffer
       
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