# taz.de -- DIW-Studie zu sozialer Ungleichheit: Wohlstand vom Staat für alle
       
       > Die Vermögensunterschiede in Deutschland sind groß. Das Deutsche Institut
       > für Wirtschaftsforschung hat errechnet, wie Erben gerechter werden
       > könnte.
       
 (IMG) Bild: Die Ampel plant eine maßvolle Förderung von Wohneigentum
       
       BERLIN taz | Die Vermögen sind in Deutschland bekanntlich ungleich
       verteilt. Das obere 0,1 Prozent besitzt ein Fünftel des Vermögens, die
       untere Hälfte nichts. Das ist auch im OECD-Vergleich viel. „Auffällig sind
       vor allem die relativ geringen Vermögen der Mittelschicht“, so der Experte
       des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Stefan Bach. Die
       Gründe sind vielfältig. Unter anderem spielt dabei der geringe Besitz von
       selbstgenutzten Immobilien in Deutschland eine Rolle.
       
       Der Trend zur Vermögensungleichheit wird nicht ab-, sondern zunehmen. Einer
       der größten Treiber der Ungleichheit ist das Erbe. Wenige bekommen viel,
       viele bekommen wenig, und die meisten bekommen nichts.
       
       Das DIW hat nun [1][in einer Studie] einen interessanten Vorschlag
       konkretisiert. Alle 18-Jährigen sollen vom Staat 20.000 Euro Grunderbe
       erhalten. Die Kosten liegen bei 15 Milliarden Euro im Jahr. Finanziert
       werden soll das Vorhaben durch eine höhere Erbschaftsteuer, die im
       OECD-Vergleich in Deutschland ebenfalls niedrig ist. Weitere Einnahmen soll
       eine Vermögenssteuer für Superreiche und eine höhere Steuer für
       Immobiliengeschäfte generieren.
       
       ## Die Mittelschicht soll Vermögen aufbauen
       
       Zudem schlägt das DIW eine FDP-kompatible Idee vor: die Grunderwerbsteuer
       für den ersten Immobilienkauf zu senken. Damit sollen jungen Familien ohne
       viel Vermögen leichter selbstgenutztes Eigentum kaufen können.
       
       Die Idee „Erben für alle“ ist nicht neu. Zuletzt hatte sie der britische
       Ökonom Tony Atkinson 2016 formuliert. Die DIW-Studie hat [2][dieses
       Konzept] nun präzise durchgerechnet. Der Ansatz leuchtet ein. Das Ziel ist,
       dass auch die Mittelschicht Vermögen aufbauen kann. Das Ergebnis: Es kann
       funktionieren. Stefan Bach ist überzeugt, dass ein „Grunderbe die
       Vermögensungleichheit spürbar reduzieren würde“.
       
       Die Erbschaft- und Vermögensteuer zu erhöhen ist indes politisch schwierig,
       weil es dafür Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat geben muss, die es
       derzeit nicht gibt. Vor allem die Erbschaftsteuer ist zudem wegen der
       Verbindung von Tod und Staatseingriff wenig populär. Die Studie vermutet,
       dass ein Grunderbe „den starken Widerstand gegen Erhöhungen der
       Erbschaftsteuer verringern“ würde. Steuererhöhungen für Reiche wären
       „sicher leichter zu vermitteln, wenn sie für ein Grunderbe verwendet
       würden“, so Bach.
       
       Etwas diffus bleibt das ansonsten genau kalkulierte Konzept bei der Frage,
       wer wie Anspruch auf das Grunderbe haben soll. Im Prinzip alle, egal ob aus
       reichem oder armem Elternhaus. Allerdings sollen, wohl um zu verhindern,
       dass Jüngere die 20.000 Euro verpulvern und somit der anvisierte
       Vermögensaufbau ausbleibt, doch Bedingungen gelten.
       
       So soll das Grunderbe „sinnvollerweise an Ausbildungsfinanzierung, Erwerb
       von Wohneigentum, Selbstständigkeit und Unternehmensgründungen,
       Weiterbildung oder für Einkommenseinbußen bei Arbeitslosigkeit oder
       Krankheit“ gekoppelt werden. Etwas Ähnliches hatte die SPD 2017 mit dem
       Chancenkonto angedacht und schnell wieder in der Schublade verschwinden
       lassen. Wie genau diese Kriterien aussehen und überprüft würden, ist offen.
       
       Die Ampel plant zwar maßvolle Förderung von Wohneigentum. Allerdings lehnt
       die FDP jede Umverteilung und Belastung für Vermögende strikt ab. Sie zieht
       damit Besitzstandwahrung dem Leistungs- und Chancengleichheitsideal vor.
       Die Verwirklichungschancen des Grunderbes sind derzeit ungünstig. Der
       Problemdruck aber wird steigen.
       
       16 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.diw.de/de/diw_01.c.831678.de/publikationen/wochenberichte/2021_50_1/grunderbe_und_vermoegensteuern_koennen_die_vermoegensungleichheit_verringern.html#section1
 (DIR) [2] /Erben-in-Deutschland/!5810657
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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