# taz.de -- Virtuelle Ausstellung über paramilitärischen Terror: Ein dunkles Kapitel
       
       > Die kolumbianische Journalistin Ginna Morelo hat recherchiert, wie
       > Paramilitärs eine ganze Region zum Schweigen brachten.
       
 (IMG) Bild: Ginna Morelo hat ihre über 20 Jahre lange Recherche nun in ihrem Onlinemuseum zu Ende gebracht
       
       Mit den aufkommenden [1][landesweiten Protesten im Frühling] vergangenen
       Jahres hat sich die Situation für Medienschaffende und Journalisten in
       Kolumbien nur noch verschlimmert. Es gab rund 220 Übergriffe, so viele wie
       noch nie, etwa die Hälfte davon wurden von Sicherheitskräften verübt. Damit
       gehört das Land weiterhin zu einem der gefährlichsten Länder Lateinamerikas
       für Medienschaffende. Ginna Morelo ist eine von ihnen. Sie schreibt über
       Menschenrechtsverbrechen, recherchiert [2][über Landraub durch die
       Paramilitärs] und deren Verbindungen in die Politik. Dadurch wurde Morelo
       selbst zum Ziel von Einschüchterungsversuchen und Morddrohungen.
       
       Ihre jahrelange Recherchearbeit hat Morelo nun in [3][ihrem Projekt „Entre
       Ríos“] für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. „Entre Ríos“ ist ein
       Onlinemuseum, dessen Homepage seit Dezember freigeschaltet ist und an dem
       auch ihr Bruder, ein Museumspädagoge, mitgearbeitet hat. Das dazugehörige
       Buch zum Museumsprojekt, alle Interviews und Dokumente sollen in den
       kommenden Tagen genauso online stehen wie eine Zeitleiste mit den Morden an
       Professoren, Dozenten der Universität von Montería sowie indigenen
       Aktivisten wie Kimy Pernía Domicó. Die vier Säle ihres virtuellen Museums
       will sie mit den Informationen bestücken, streng unterteilt.
       
       Einen Eindruck, was die Seite leisten soll, liefert bereits der Film „Reise
       in die Stille“, der bereits im „Sala audiovisual“ online steht. Der Film
       ist das Ergebnis einer Visite im Siedlungsgebiet der Embera Katío, die
       Ginna Morelo im letzten Jahr unternahm – gemeinsam mit Martha Domicó,
       Tochter von Kimy Pernía Domicó, dem Anführer der Embera Katío, der wegen
       seines Widerstands gegen das Staudammprojekt Urrá I von Paramilitärs
       entführt und ermordet wurde.
       
       Zwanzig Jahre nach dem Mord ist seine Tochter nun Protagonistin des
       Museums: Ihr Konterfei taucht auf dem dreidimensionalen Bild auf, das die
       Startbildschirme des Museo ziert. Das Gebäude der Universität Montería ist
       darauf zu sehen, zwei Flussläufe, Reiher, Pferde, Palmen und die Gesichter
       von Martha Domicó und Alberto Alzate Patiño, von den Paramilitärs
       ermordeter Professor an der Universität Montería. „Beide Ereignisse fanden
       mehr oder minder parallel statt, sind eng verzahnt. Die Embera Katío
       erhielten Unterstützung von Professoren und Dozenten der Universität von
       Montería, und das Staudammprojekt Urrá I, dem die indigene Ethnie weichen
       musste, ist nicht weit von Montería entfernt“, erklärt Ginna Morelo.
       
       ## Die Geschichte war nicht zu Ende
       
       Das belegen auch die Aufzeichnungen von Kimy Pernía Domicó, die alsbald im
       Museum zu sehen sein werden, aber auch die Interviews mit Opfern, ins Exil
       geflohenen Gewerkschaftern wie René Cabrales und
       Menschenrechtsaktivist:innen. Etliche davon hat Ginna Morelo in den letzten
       elf Monaten geführt, als sie dank eines Stipendiums von „Reporter ohne
       Grenzen“ in Berlin lebte und sich ganz auf ihr Museumsprojekt konzentrieren
       konnte. Berlin wurde zum Ausgangspunkt für Recherchereisen in die Schweiz
       und andere europäische Länder, um direkt mit den Opfern zu sprechen.
       „Zoom-Interviews waren nicht nur für mich komplett unrealistisch“, so die
       Reporterin.
       
       Morelo war ab Mitte der 1990er Jahre für die Lokalzeitung El Meridiano de
       Córdoba im Einsatz und hat bereits 2009 mit „Blutiges Land“ ein erstes Buch
       über die Übernahme des gesamten Verwaltungsdistrikts durch die
       Paramilitärs geschrieben. Doch für sie war die Geschichte nie auserzählt,
       es fehlte noch etwas.
       
       Diese Lücke wollte Morelo schließen, und mit dem Museum „EntreRíos“ und der
       visualisierten Rekonstruktion eines sehr dunklen Kapitels kolumbianischer
       Geschichte soll das nun gelingen. Das birgt allerdings auch 2021 noch
       Risiken. Bei den Dreharbeiten zum Film „Reise in die Stille“ mussten Morelo
       und Domicó Passierscheine vorweisen – ausgestellt von paramilitärischen
       Gruppen. Die kontrollierten den Zugang zum Siedlungsgebiet der Embera
       Katío.
       
       5 Jan 2022
       
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