# taz.de -- Spielfilm „Gloria Mundi“: Die Alten wahren den Ruhm der Welt
       
       > Der französische Regisseur Robert Guédiguian rechnet in seinem neuen Film
       > mit neoliberalem Leistungswahn ab. Im Zentrum des Chaos ruht ein Baby.
       
 (IMG) Bild: Daniel (Gérard Meylan) mit seiner Enkelin Gloria am Hafen von Marseille
       
       Regisseur Robert Guédiguian, ein Franzose mit armenisch-deutschen
       Vorfahren, hat seine Geburtsstadt Marseille in den meisten seiner über
       zwanzig Spielfilme zum Lebensthema erklärt. Die umtriebige Hafenstadt, ihre
       Härte, Armut, Straßengewalt und turbokapitalistische Ausbeutung inspirieren
       den erklärten Linken zu Familiendramen, mit denen er bei Filmfestivals
       regelmäßig Auszeichnungen gewinnt.
       
       „Gloria Mundi“ ist eine dieser Milieugeschichten voller Katastrophen, die
       den Zerfall einer Familie beschleunigen, gäbe es nicht die in sich ruhenden
       Protagonisten, die auf eigene Art Auswege finden und den Zusammenhalt
       schaffen, es zumindest versuchen.
       
       Irgendwo zwischen den Brüdern Dardenne und Fassbinder dreht Guédiguian
       immer neu den gleichen Film über Helden, die sich leise und empathisch der
       herrschenden Entsolidarisierung entgegenstellen. Zusammen mit seiner Frau
       Ariane Ascaride und seinen bewährten Alter Egos, den Schauspielern
       Jean-Pierre Darroussin und Gérard Meylan sowie dem gleichen Cast wie in
       „Gloria Mundi“ drehte er zuvor andere Sozialdramen wie „Die Stadt frisst
       ihre Kinder“ und [1][„Schnee am Kilimandscharo“].
       
       Guédiguian setzt eine Warnung vor der Vergänglichkeit der Welt (Sic transit
       gloria mundi) vor die Eingangssequenz mit Szenen einer Geburt. Wie Baby
       Gloria von sanften Händen aufgenommen wird und zu spiritueller Chormusik
       des armenischen Filmkomponisten Michel Petrossian in einen entspannten
       Schlaf findet, lässt kaum erahnen, wie rasant ihr Eintritt in die Welt das
       Chaos der Erwachsenen sichtbar macht.
       
       ## Lebensgier, Betrug und Rache
       
       Glorias Vater Nicholas glaubt als Uber-Fahrer gutes Geld zu verdienen, wird
       jedoch von konkurrierenden Taxifahrern zusammengeschlagen und erreicht auch
       mit einem slapstickartigen Angriff auf die Ärztin nicht die notwendige
       Gesundschreibung. Mathilde, die junge Mutter, wird aus ihrem Probejob als
       Verkäuferin entlassen. Die Tagesmutter will Geld und weigert sich, Gloria
       aufzunehmen, was die Chance auf Arbeit reduziert.
       
       Mathilde reagiert mit panischer Lebensgier und wirft sich ihrem
       Quasi-Schwager, einem koksenden Zyniker und Möchtegern-Entrepreneur, an den
       Hals. Gegen schnellen Sex verspricht er ihr die Leitung eines Geschäfts, in
       dem die von Migranten reparierten Waren aus seiner Pfandleihe
       weiterverkauft werden sollen. Der Krach mit Mathildes Schwester, einer
       ebenso kalten Pseudo-Aufsteigerin, ist vorprogrammiert.
       
       Betrug und Rache eskalieren. Eine Grundidee des Films wird deutlich, die
       nicht überzeugt. Während nämlich die Generation der Jüngeren in die
       Triebdynamik des neoliberalen Leistungswahns verstrickt ist, bewahren die
       Großeltern von Baby Gloria vorbildlich ihre Würde. Oma Sylvie (Ariane
       Ascaride) kämpft sich als Putzfrau auf Kreuzfahrtschiffen durch und bleibt
       auch im Streit mit streikenden Kollegen, deren Politik sie anzweifelt, ganz
       redegewandte Dame.
       
       Ihr Mann, Mathildes Stiefvater, plädiert dafür, Sylvies Ex-Mann Daniel,
       einen unschuldig im Gefängnis sitzenden freundlichen Stoiker und
       Haiku-Dichter, über die Geburt seines Enkelkindes zu informieren und ihm
       die Gastfreundschaft anzutragen, als er auf freiem Fuß die alten Quartiere
       erkundet.
       
       Das Trio der Alten ist es, das Baby Gloria im Abwärtsstrudel der Familie
       fest im Arm zu halten vermag. Daniel tut noch mehr, indem er fremde Schuld
       auf sich nimmt. Schade, dass die Sympathien des Regisseurs einseitig für
       die eigene Generation reserviert sind.
       
       16 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Claudia Lenssen
       
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