# taz.de -- Streit um Schützenamt für Frauen: Die geborene Bruchmeisterin
       
       > Die Kolumnistin erinnert sich an Zeiten, als Schützenfeste noch wichtig
       > waren. Und fragt sich, was Bruchmeister eigentlich machen.
       
 (IMG) Bild: Als die Welt noch in Ordnung war: Schützenumzug in Hannover 2018
       
       Ich habe nichts gegen Schützenfeste, wirklich nicht. Einige meiner besten
       Freunde wurden auf Schützenfesten gezeugt. In dem Schlafdorf im Umland, in
       dem ich die ersten Jahre meines Lebens verbracht habe, [1][war das
       Schützenfest noch das gesellschaftliche Großereignis.]
       
       Hier passierte einfach alles: Da wurden Ehen angebahnt und Scheidungen
       auch, es gab den ersten Kuss, den ersten Rausch und das erste Mal richtig
       auf die Fresse. Das war wichtig für die meisten und die Hölle für die, die
       eh nie dazugehörten.
       
       Ich erinnere mich, wie mein Vater Schützenkönig wurde. Ich bekam ein neues
       Kleid und die Erwachsenen machten sich darüber lustig, wie ich mit dem
       Tablett voller Schnapsgläser einen riesigen Bogen hinter den Pferden des
       Majors und seiner Adjutanten machte, weil mir jemand gesagt hatte, die
       treten aus.
       
       Ich erinnere mich an das blasse und panische Gesicht meiner Mutter, während
       sie versuchte auszurechnen, was uns das jetzt schon wieder kosten würde.
       Mein Vater war besoffen, selig im Mittelpunkt zu stehen und sorgte bei der
       Parade für Lacher, weil ihm beim Stechschritt der Schuh vom Fuß flog. Er
       betrachtete diese ganze Geschichte als äußert sinnvolle Investition in
       seine Karriere als Versicherungsvertreter und Lokalpolitiker.
       
       ## Am Ende geht es natürlich ums Geschäft
       
       Womit er nicht so unrecht hatte: Aus irgendeinem Grund macht man in
       Deutschland (und Russland und China) lieber mit jemandem Geschäfte, mit dem
       man schon einmal besoffen unterm Tisch gelegen hat. Das ist natürlich auch
       der eigentliche Grund, warum gewisse Herren dann plötzlich auf Tradition
       pochen und keine Frauen am Tisch haben wollen, wie jetzt bei der Debatte um
       das Bruchmeisteramt in Hannover. (Und dem CEO-Treffen am Rande der
       Münchener Sicherheitskonferenz.)
       
       Dass es dieses Bruchmeisteramt gibt und dass es sogar vom Oberbürgermeister
       verliehen wird, war mir bis vor kurzem auch nicht klar. Offenbar besteht es
       nur noch darin, bei der Parade die schwere Standarte zu schleppen und sich
       dann als Grüßaugust in Frack und Zylinder bis morgens früh auf dem
       Schützenplatz herumzutreiben.
       
       Im Mittelalter soll das Ehrenamt einmal dazu gedient haben, auf die
       Einhaltung der Festregeln zu pochen und Geldstrafen einzutreiben. [2][Nun
       hat Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne)] vor ein paar Wochen öffentlich
       darauf gedrungen, das Amt auch für Frauen zu öffnen. Ungefähr mit dem
       Argument: „Wir schreiben das Jahr 2022“.
       
       Und einige Schützen prompt so: „Nein! Unverschämtheit! Das hatten wir ja
       noch nie!“ Schon blöd, wenn man es plötzlich mit einer Verwaltung zu tun
       hat, die sich tatsächlich an das Grundgesetz gebunden fühlt.
       
       ## Wer soll das denn sonst machen, wenn nicht die Frauen?
       
       Wobei ich den Verdacht habe, die Kollegen von der Lokalzeitung mussten
       schon ein bisschen wühlen, bevor sie eine Handvoll seniler Ex-Bruchmeister
       fanden, die dusselig genug waren, das auch noch unter voller Namensnennung
       öffentlich zu sagen.
       
       Aber so funktioniert diese Kulturkampf-Nummer halt, wer interessiert sich
       da schon für die klügere Mehrheit. Der entscheidende Haken an dem
       Traditionsargument ist ja, dass es einfach so gut wie nie stimmt, weil auch
       jede noch so eherne Tradition sich im Laufe ihrer Geschichte schon x-mal
       gewandelt hat.
       
       Wirklich empört hat mich allerdings ein Argument, das [3][einer dieser
       älteren Ex-Bruchmeister in der HAZ vortrug]: Er sehe da großes
       Gefahrenpotenzial, wenn Bruchmeisterinnen Betrunkene auseinanderbringen
       wollen.
       
       Bitte, was!?! Wenn Frauen keine betrunkenen Männer handeln können, wer soll
       das denn bitte sonst machen? Die Kinder vielleicht?!? Es ist doch wohl
       offensichtlich, dass es keine kluge Idee ist, alkoholisierte Männer
       aufeinander loszulassen.
       
       Der Mann wird in dem Artikel übrigens als leitender Polizeibeamter
       vorgestellt. Also nicht, dass das mein Bild von der Truppe nachhaltig
       beschädigt, aber … Haben die da nicht mittlerweile auch so ein paar
       Kolleginnen, die den Herren mal zu einem eindringlichen Gespräch hinter dem
       Festzelt einladen möchten?
       
       27 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Sportschuetzen-nach-Hanau-im-Visier/!5664096
 (DIR) [2] /Belit-Onay/!t5602634
 (DIR) [3] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Gegen-Hannovers-Schuetzenfest-Tradition-Bald-auch-Frauen-als-Bruchmeister
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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