# taz.de -- Kinotipp der Woche: Aus der Erde
       
       > Die Filmreihe „Unser täglich Brot“ im Zeughauskino zeigt Filme über die
       > Landwirtschaft und verhandelt auch die soziale Frage der Natur.
       
 (IMG) Bild: “Unser täglich Brot“, 2005, Regie: Nikolaus Geyrhalter
       
       Als moderner Stadtmensch hat man den direkten Bezug zur
       Nahrungsmittelproduktion weitgehend verloren. Man kauft abgepacktes Obst
       und Gemüse im Supermarkt, pappige Aufbackbrötchen in der Bäckerei und
       Fleisch wird einem so serviert, dass es möglichst nicht nach totem Tier
       aussieht.
       
       Draußen auf dem Land kommt man der Sache auch kaum näher. Nutztiere
       verschwinden in riesigen Ställen, in denen bekanntich zum Großteil sehr
       bedenkliche Zustände vorherrschen. Und knorrige Apfelbäume, auf die man
       klettern kann, gibt es kaum noch, weil der in der industriell organisierten
       Landwirtschaft kaum noch von Nutzen ist. Um mit eigenen Augen zu sehen, wie
       etwa Tomaten heranwachsen, bleibt dem Stadtmenschen eigentlich nur noch
       sein Urban Gardening.
       
       Gut, dass es da das Kino gibt, das sich oft genug mit der Herstellung von
       Lebensmitteln beschäftigt hat, wie nun die Reihe “[1][Unser täglich Brot]“
       zeigt, die bis Ende März im Zeughauskino läuft. In Filmen aus aller Welt,
       die eine Zeitspanne von fast 100 Jahren umfassen, kann man Bauern bei der
       Ernte erleben, wie sie ihre Äcker bestellen und frei lebende Tiere auf
       ihren Höfen gibt es auch noch.
       
       Man taucht ein in die karge schweizer Alpenwelt der Bergbauern in Fredi M.
       Murers Film “[2][Wir Bergler in den Bergen sind eigentlich nicht schuld,
       dass wir da sind]“ (1974). Begibt sich in das portugiesische Hochland in
       “[3][Trás-os-Montes]“ von António Reis und Margarida Martins Cordeiro
       (1976), wo die Menschen noch im Gleichklang mit der Natur leben. Oder
       erlebt Schaf- und Ziegenhirten bei der Arbeit, wie in “[4][Sweetgrass]“ von
       Ilisa Barbash und Lucien Castaing-Taylor (2009).
       
       Nur idyllisch muss man sich diese Lebensformen nicht vorstellen. Eher im
       Gegenteil. Das Leben der Bauern und Bäuerinnen ist hart und der permanent
       voranschreitende Strukturwandel macht ihnen in so gut wie jeder Epoche zu
       schaffen.
       
       Wie weit das Elend gehen kann, zeigt Ermanno Olmi in seinem
       naturalistischen Meisterwerk “[5][Der Holzschuhbaum]“ (1978), einem der
       schönsten Filme aller Zeiten, der mit seinen drei Stunden keine Minute zu
       lang ist. Die Bauern und Bäuerinnen in der Lombardei des späten 19.
       Jahrhunderts leben in brutaler Armut und in Abhängigkeit von ihren
       Gutsherren.
       
       Als dem Sohn eines Bauern ein Holzschuh kaputt geht, bleibt dem Alten keine
       andere Möglichkeit, als illegal einen Baum zu fällen, um daraus einen neuen
       Schuh zu zimmern. Mit der Konsequenz, dass alles noch viel schlimmer wird.
       Das Elend der Unterdrückten, die eigentlich nicht viel mehr wollen als ein
       bisschen Würde und etwas zum Beißen zwischen den Zähnen, kommt einem nahe
       in diesem Film wie in kaum einem anderen.
       
       Der Kampf des Menschen um Nahrung sieht heute auch in den
       strukturschwächsten Gegenden Italiens anders aus. Eher so wie in der
       Dokumentation “[6][Unser täglich Brot]“ (2005) von Nikolaus Geyrhalter, die
       der Reihe im Zeughauskino ihren Namen geschenkt hat. Man hat es hier mit
       einer Art Horrorfilm zu tun, auch wenn er nichts anderes macht, als zu
       zeigen, wie die modernen Industrienationen zu ihren Lebensmitteln kommen.
       
       Ohne Massentierhaltung, Pestizide und ausgebeutete Landarbeiter geht gar
       nichts mehr. Die Bilder, die man hier zu sehen bekommt, nimmt man mit in
       den Schlaf und der Appetit vergeht einem dabei sowieso. Und bis sich dieser
       Wahnsinn ändert, wird es noch ewig dauern, das ist allen klar. Vielleicht
       kommt die vom neuen Umweltminister versprochene Agrarwende ja früher, wenn
       er sich diesen Film noch einmal genau anschaut.
       
       2 Mar 2022
       
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