# taz.de -- Streit um Atommülllager in Kroatien: Angst im Tal des Una-Flusses
       
       > Pläne für ein Atommülllager besorgen die Nachbarn in Bosnien und
       > Herzegowina. Nun will sich die Regierung bei der EU-Kommission
       > beschweren.
       
 (IMG) Bild: Die Nachbarn wollen den Nuklearmüll nicht in ihrer Nähe: Notfallübung am Atomkraftwerk Krsko 2016
       
       SARAJEWO taz | [1][Nationalismus und drohende Aufspaltung] des Landes: Als
       hätten die Menschen in Bosnien und Herzegowina nicht schon Sorgen genug.
       Jetzt kommt noch ein weiterer regionaler Konflikt hinzu: Kroatien plant
       eine Endlagerstätte für Atommüll auf dem Gebiet Trgovska Gora, das nahe der
       Grenze zu Bosnien und Herzegowina liegt.
       
       Für den Ort der Anlage auf dem Gelände des ehemaligen Militärlagers
       Čerkezovac gebe es „keinen Plan B“, sagt Tomislav Ćorić, kroatischer
       Minister für Wirtschaft und Nachhaltigkeit. Kroatien wolle „eine Anlage an
       einem sicheren Ort und nach den höchsten Standards bauen, nicht nur für die
       Lagerung von Abfällen aus dem Kernkraftwerk Krško“, sondern auch für
       anderen schwach und mittelstark strahlenden Atommüll aus dem Land.
       
       Das in den 70er Jahren mit US-amerikanischer Technologie gebaute
       kroatisch-slowenische Atomkraftwerk [2][Krsko] steht 40 Kilometer nördlich
       von Zagreb an der Grenze der beiden Staaten – und liefert noch Strom. Es
       ist das einzige [3][Atomkraftwerk] des ehemaligen Jugoslawien, liegt aber
       in einem Erdbebengebiet.
       
       Bereits 1997 gab es erste Pläne für ein Endlager, doch erst 2018 wurden sie
       konkretisiert. Gebaut wird aber noch nicht. Denn es hagelt Proteste: Bürger
       von 13 Gemeinden auf der bosnischen Seite – mit insgesamt rund 350.000
       BewohnerInnen – fürchten die Gefahren, die von einer Endlagerstätte
       ausgehen könnten. Die Kritik ist einhellig: Die Kroaten machten es sich zu
       leicht, den Atommüll am Rand ihres Territoriums zu lagern, potentielle
       Schäden hätten vor allem die Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina
       auszubaden.
       
       ## Gefahren durch Erdbeben
       
       Die bisherigen Informationen über geologische Beschaffenheit dieses Ortes
       erscheinen wenig verheißungsvoll. ExpertInnen fürchten, es könnte
       Sickerwasser aus dem Lager in den 800 Meter entfernten Una-Fluss gelangen.
       Die grünlich schimmernde und als Naturwunder gepriesene Una und ihre
       Flusslandschaft gehören bislang zu den saubersten Gewässern des westlichen
       Balkan.
       
       Neben der Sorge, das Gestein der Region sei für eine Endlagerstätte nicht
       geeignet, verweisen die KritikerInnen auf die Gefahren von Erdbeben. Erst
       im vergangenen Jahr gab es ein schweres Beben, das Teile der kaum 60
       Kilometer entfernten Städte Karlovac und Petrinja verwüstete. Deshalb
       forderte eine Expertenkommission der bosnischen Seite, bei den geologischen
       Untersuchungen des Geländes beteiligt zu werden, um Klarheit über die
       Beschaffenheit des Gesteins zu erhalten.
       
       Das Thema beschäftigte auch die Münchener Sicherheitskonferenz: Die
       bosnische Außenministerin Bisera Turkovic erklärte, man wolle nun Daten
       über die Region systematisch sammeln, internationale Konventionen seien
       gebrochen worden.
       
       ## Ministerpräsident hat sich eingeschaltet
       
       Zwar fühlen sich die Bosnier auch übergangen, weil sie nicht an den
       Erkundungen für den Standort beteiligt wurden. Allerdings gab es ein
       Gremium, in dem Experten und Aktivisten aus Bosnien und Herzegowina und
       Kroatien beteiligt waren, betont Zvjezdan Karadzin, Umweltexperte der
       Fakultät für Bergbau, Geologie an der Universität in Tuzla.
       
       Auch Ministerpräsident Zoran Tegeltija hat sich in den Konflikt
       eingeschaltet. Die Regierung werde sich offiziell bei der [4][kroatischen
       Regierung und der EU-Kommission] über das geplante Endlager an der Grenze
       zu beschweren, sagte er am Freitag. Tegeltija forderte die kroatische Seite
       auf, endlich ernsthaft zu verhandeln. Es gebe zu viel [5][„Angst im Tal des
       Una-Flusses“.] Ein anderer Standort für das Endlager sei „die beste Lösung,
       weil es bereits viele Spannungen gibt“, sagte Tegeltija.
       
       Die Bosnier sind Übergriffe der Nachbarländer auf die Natur des Landes
       allerdings gewohnt. So plant Serbien ein Wasserkraftwerk an dem auf
       bosnischen Territorium liegenden Drina-Fluss, das Strom allein für Serbien
       und die serbische Teilrepublik in Bosnien liefern soll. In der serbischen
       Teilrepublik wird zudem laut KritikerInnen der gemeinsame Staatsbesitz an
       Wäldern verhökert und rücksichtslos ausgebeutet.
       
       In von bosnischen Kroaten kontrollierten Gemeinden in der Herzegowina wird
       Wasser illegal nach Kroatien geliefert, bemängeln ExpertInnen. All dies
       führt zurück auf das Problem der schwachen bosnischen Verfassung und die
       Unfähigkeit des Gesamtstaates, derartige Praktiken zu verhindern. „Alle
       Nachbarn können in Bosnien machen, was sie wollen, ohne Strafe zu erwarten“
       schreiben bosnischen Medien in Sarajevo – und es klingt resigniert.
       
       14 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Erich Rathfelder
       
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