# taz.de -- Landtagswahl im Saarland: Rechtsextrem? Na und!
       
       > Trotz des Urteils, das die Einstufung als rechtsextremen Verdachtsfall
       > bestätigt, kann die AfD auf Wiedereinzug in den Landtag hoffen.
       
 (IMG) Bild: Josef Dörr im Saarländischen Landtag
       
       SAARBRÜCKEN taz | „Ich mache ganz normal Wahlkampf!“, sagt Christoph
       Schaufert. „Infostände organisieren, Wahlplakate verteilen und aufhängen“,
       so beschreibt die Nummer eins der AfD im Wahlkreis Saarpfalz sein
       Tagesprogramm. Der 52-jährige Archäologe will nach der Wahl am 27. März in
       den Saarbrücker Landtag einziehen. Das wäre die Krönung seiner politischen
       und beruflichen Karriere.
       
       Dass die AfD [1][jetzt offiziell als rechtsextremer Verdachtsfall] vom
       Verfassungsschutz beobachtet werden darf, findet Schaufert „nicht
       erfreulich“. Dass sich das Urteil, welches das Kölner Verwaltungsgericht in
       dieser Woche fällte, negativ auf die Wahlchancen seiner Partei auswirken
       könnte, sieht er indes „eher nicht“. In der letzten Umfrage vom 16. Februar
       lag die AfD im Saarland bei acht Prozent. Gut möglich, dass der AfD der
       Einzug in den Landtag gelingt, und zwar trotz des richterlich bestätigten
       Verdachts verfassungsfeindlicher Bestrebungen.
       
       Schaufert und den anderen AfD-Kandidaten machen eher die
       Negativschlagzeilen zu schaffen, die der erbitterte Kampf um
       aussichtsreiche Listenplätze ausgelöst hat.
       
       In der AfD an der Saar – Wahlkampfmotto „Deutschland aber normal“ –
       herrscht schon lange der Ausnahmezustand. Der aussichtsreiche Kandidat
       Schaufert hat auf dem Weg in den Landtag sogar seine Rechte als
       Parteimitglied verloren. Der vom Bundesverband eingesetzte „Notvorstand“
       hat seinen Ausschluss durchgesetzt. Schaufert, immerhin gewählter
       stellvertretender AfD-Landesvorsitzender, darf sein Parteiamt nicht mehr
       ausüben. „Mit rechtsextremen Tendenzen haben wir keine Probleme. Wir zoffen
       uns, wir haben keine Zeit zum Bombenbauen“, versucht sich einer der
       führenden AfD-Politiker in Galgenhumor.
       
       ## Spitzenkandidat wurde aus der Partei geworfen
       
       Für die AfD kandidieren in allen drei saarländischen Wahlkreisen
       umstrittene Männer auf den vorderen Listenplätzen. Allen voran der
       83jährige bisherige Landtagsfraktionschef Josef Dörr, ein pensionierter
       Schulrektor, der gerne Mundartgedichte vorträgt. Über ein Gerichtsverfahren
       hat er im zweiten Anlauf die Spitzenkandidatur im Wahlkreis Saarbrücken
       erstritten. Fast zeitgleich verfügte ein Schiedsgericht seinen
       Parteiausschluss. Den aktuellen Rauswurf tut Dörr im Gespräch mit der taz
       als „hirnrissig“ ab; er ist zuversichtlich, als Alterspräsident auch die
       nächste Legislaturperiode des Landtags eröffnen zu dürfen.
       
       Bereits vor der letzten Landtagswahl hatte die Bundespartei versucht, den
       Mann loszuwerden, dem sie allzu enge Kontakte zu rechten und
       neonazistischen Kreisen vorwarf. Der AfD-Bundesvorstand hatte Dörr unter
       anderem vorgeworfen, im Jahr 2015 Mitgliedern der Freien Bürger Union
       satzungswidrig Doppelmitgliedschaften angeboten zu haben; unter ihnen
       sollen ehemalige Mitglieder der NPD und andere Rechtsextremisten gewesen
       sein.Die ihm nachgesagten Verbindungen nach rechts nennt Dörr gegenüber der
       taz „erfunden und konstruiert“.
       
       Im Parteiordnungsverfahren setzt Dörr deshalb auf die nächste Instanz: “Das
       ist ein Marathonlauf,“ so Dörr. Seine Botschaft an die zerstrittene Partei:
       “Mit Volldampf gemeinsam in den Endspurt des Wahlkampfes, Glückauf!“
       
       ## Es geht um Geld und Posten
       
       Eigentlich wollte sein erbitterter Gegner, Generalsekretär Kai Melling, als
       Nummer eins für die Saar-AfD in den Wahlkampf ziehen. Im November letzten
       Jahres war er zum Spitzenkandidaten der Landesliste gewählt worden. Im
       Januar, Stunden vor der entscheidenden Sitzung des Landeswahlausschusses,
       hatten jedoch die „Vertrauensleute“ der Partei diese Liste einfach
       zurückgezogen. Sie waren dazu weder von einer Versammlung, noch vom
       Vorstand ermächtigt. Die Liste war gleichwohl erledigt.
       
       Der Schaden für die Partei hält sich in Grenzen, denn sie tritt in allen
       drei Wahlkreisen an. Nach dem saarländischen Wahlrecht geht keine Stimme
       verloren. Den Schaden trägt allein der düpierte Generalsekretär Melling,
       der den Wahlkampf leiten und das Wahlprogramm schreiben sollte. „Die
       eigenen Leute haben mich abgesägt“, sagt er der taz. „Soll ich mir
       wünschen, dass die in den Landtag kommen?“, fragt er rhetorisch. Die
       Vorgänge in der Saar-AfD erklärt er so: „Es geht nicht um Politik, es geht
       um Geld und Posten“.
       
       Von dem Coup gegen Melling und die Landesliste profitiert auch der dritte
       aussichtsreiche AfD-Kandidat im Wahlkreis Saarlouis, Carsten Becker. Der
       32-Jährige hatte den Coup gegen den Generalsekretär öffentlich gelobt. Die
       Landesliste sei eine „Ansammlung von Dörrianern“, Parteisenior Dörr wurde
       als „Geißel“ des Landesverbands lächerlich gemacht: „Lieber keine
       Landesliste, als eine mit Steigbügelhaltern für Josef Dörr! Lieber keinen
       Wiedereinzug in den Landtag, als 5 weitere Jahre Fremdschämen!“ hieß es in
       dem Pamphlet der Parteirebellen.
       
       Obwohl Becker diesen Text unterschrieben hat, entsendet ihn der Notvorstand
       in Podiumsdiskussionen und TV-Runden. Auf diesen Widersinn angesprochen,
       antwortet der saarländische AfD-Chef und Bundestagsabgeordnete Christian
       Wirth der taz: „Auch wenn die Unterschrift unter den Brief nicht zu
       akzeptieren ist, geht es jetzt um eine starke Opposition im kommenden
       Landtag“.
       
       ## Gegen „Coronalügen“ und „Genderquatsch“
       
       „Kopfplakate“ von heftig umstrittenen Kandidaten sind wenig sinnvoll. Das
       Flüchtlingsthema zieht diesmal nicht, denn auch die AfD heißt die
       Vertriebenen aus der Ukraine willkommen. Bleiben die lauen Parolen gegen
       „Coronalüge“, „Genderquatsch“ und „Klimahysterie“.
       
       Kandidat Schaufert rechnet zwar damit, dass AfD-GegnerInnen an den
       Infoständen das Kölner Urteil „genüsslich zitieren, doch diese Karte ist
       medial schon zu oft gezogen worden“, sagt er.
       
       Becker nimmt auch die Ausschlussverfahren gegen seine beiden Mitkandidaten
       locker. “Das kann sich mal fünf bis 10 Jahre hinziehen, von da sehen wir
       das nicht so ernst“, bekannte er im Saarländischen Fernsehen und verkündete
       gleich einen eigenen fünf-Jahres-Plan. Er wünschte sich eine
       Regierungsbeteiligung der AfD nach der Landtagswahl 2027, in einer
       „schwarz-blauen Koalition mit der CDU“. Das war allerdings vor dem Kölner
       Gerichtsurteil.
       
       12 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christoph Schmidt-Lunau
       
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