# taz.de -- Klatsche für Niedersachsens Ministerium: Gericht legt Wolfsjägern Handwerk
       
       > Niedersachsen hatte erlaubt, Wölfe abzuschießen, ohne dass ihnen Risse
       > von Nutztieren nachgewiesen wären. Ein Gericht stoppt die Genehmigung
       > vorerst.
       
 (IMG) Bild: Dürfte nur abgeschossen werden, wenn er als Übeltäter identifiziert wäre
       
       GÖTTINGEN taz | Es ist ein juristischer Erfolg von Umweltschützern gegen
       das Land Niedersachsen: Wölfe aus den in freier Wildbahn lebenden Rudeln
       bei Garlstedt im Kreis Osterholz-Scharmbeck und Schiffdorf im Kreis
       Cuxhaven dürfen – zumindest vorerst – nicht abgeschossen werden. Das hat
       das Verwaltungsgericht Oldenburg am Dienstag entschieden und damit den
       Eilanträgen von zwei Naturschutzverbänden stattgegeben.
       
       Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und
       Naturschutz (NLWKN) hatte am 14. Januar [1][Ausnahmegenehmigungen für den
       Abschuss] nicht näher bestimmter Wölfe aus beiden Rudeln erteilt. Dagegen
       legten die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe und der Freundeskreis
       freilebender Wölfe Widerspruch ein. In Eilverfahren gab das
       Verwaltungsgericht jetzt deren Anträgen auf Gewährung von vorläufigem
       Rechtsschutz statt und stellte fest, dass die Widersprüche eine
       aufschiebende Wirkung haben (Az. 5 B 22 und 5 B 294/22).
       
       Die Ausnahmegenehmigung erweise sich „bei summarischer Prüfung als
       voraussichtlich rechtswidrig“, erklärte das Gericht zur Begründung. Darin
       sei – „soweit ersichtlich erstmals in der Bundesrepublik Deutschland“ –
       sowohl auf die Individualisierung eines schadenverursachenden Wolfs als
       auch auf eine klare Zuordnung der Schäden zu einem bestimmten Rudel
       verzichtet worden.
       
       ## Rudel nicht nachweisbar gefährlich
       
       Niedersachsen habe damit den Anwendungsbereich von Paragraf 45a des
       Bundesnaturschutzgesetzes in unzulässiger Weise erweitert. Dieser Paragraf
       sehe allenfalls die „Entnahme“ von Wölfen aus einem Rudel vor und sei im
       Übrigen eng auszulegen.
       
       Zudem sieht das Verwaltungsgericht keine hinreichende Grundlage für die
       Annahme des NLWKN, dass bei den Wölfen aus dem Rudel Garlstedt das
       Überwinden von Schutzvorkehrungen zum erlernten und gefestigten
       Jagdverhalten gehört: „Somit fehlt es bezüglich dieses Rudels an dem
       Erfordernis, dass von diesem Rudel die Gefahr ernster landwirtschaftlicher
       Schäden ausgeht“, sagte ein Gerichtssprecher.
       
       „Wir sehen den erfreulichen Erfolg im Eilantrag als ersten Schritt zu einer
       Neuausrichtung der niedersächsischen Wolfspolitik“, kommentiert Peter
       Blanché, Vorstand der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe, den
       Gerichtsbeschluss. Es sei dem Land ganz offensichtlich nicht mehr [2][um
       den Abschuss] eines als „Täter“ erkannten Wolfsindividuums gegangen,
       „sondern um das Schießen in zwei Wolfsrudel hinein, solange bis die
       Angriffe aufhören“.
       
       Erstmals hätten die Behörden nicht mal den Versuch unternommen, den
       „richtigen Täter“ zu individualisieren und dann zu töten. „Mit dieser
       Abschussgenehmigung wurde die komplette Sippenhaft der Rudel in Schiffdorf
       und Garlstedt eingeführt“, so Blanché. „Im Extremfall hätten damit zwei
       ganze Wolfsrudel ausgelöscht werden können.“
       
       Auch die Grünen zeigen sich überaus erfreut über die Entscheidungen des
       Verwaltungsgerichts. Das Gericht habe Umweltminister Olaf Lies (SPD) die
       „Rote Karte“ gezeigt, sagte der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer am
       Mittwoch. „Die willkürliche Jagdpraxis des SPD-Umweltministers mit bislang
       sechs Fehlabschüssen ist damit auf der ganzen Linie gescheitert.“
       
       „In keinem anderen Bundesland werden so viele Wölfe erschossen wie in
       Niedersachsen“, erklärte Meyer weiter. „Kein einziger war in der Amtszeit
       von Minister Lies ein gesuchter Problemwolf. Was die Große Koalition hier
       tut, ist kein Wolfsmanagement, sondern eine unverhohlene rechtswidrige
       Wolfsjagd.“ Zuletzt wurde im Landkreis Lüchow-Dannenberg eine junge Wölfin
       abgeschossen, die Ausnahmegenehmigung war für ein anderes Tier erteilt
       worden. Die Tierrechtsorganisation Peta hat deshalb Strafanzeige bei der
       Staatsanwaltschaft Lüneburg gestellt.
       
       ## Niedersachsens Ministerium weiter von sich überzeugt
       
       Die Grünen verlangen nun ein sofortiges Moratorium für Wolfsabschüsse in
       Niedersachsen. Die Genehmigungspraxis des Landes könne so nicht
       weitergeführt werden, sagt Meyer. Die Serie der Wolfstötungen in
       Niedersachsen sei unvereinbar mit dem europäischen Naturschutzrecht. Die
       Grünen wollten daher Beschwerde bei der EU-Kommission einlegen.
       
       Anhängig ist noch eine Klage des Naturschutzbundes (Nabu) gegen die
       niedersächsische Wolfsverordnung. Die Umweltorganisation bemängelt unter
       anderem, dass die Landesregierung den Schwerpunkt auf den Abschuss von
       Wölfen lege, statt verstärkt in den Herdenschutz zu investieren. Wo in
       Wolfsgebieten konsequent Herdenschutzmaßnahmen umgesetzt würden, gehe die
       [3][Zahl der Nutztierrisse] nachweislich zurück.
       
       Das niedersächsische Umweltministerium zeigt sich unterdessen ungeachtet
       des aktuellen Oldenburger Richterspruchs „von der Richtigkeit unseres
       grundsätzlichen Vorgehens überzeugt“. Die Notwendigkeit zu handeln sei
       angesichts der Rissereignisse in diesem Winter in den Landkreisen Cuxhaven
       und Osterholz groß, sagte Ministeriumssprecher Christian Budde der taz.
       
       Gleichwohl werde sich das Ministerium den Beschluss nun noch einmal genau
       anschauen und die Punkte des Gerichts bei künftigen Ausnahmegenehmigungen
       berücksichtigen. Ein unmittelbarer zeitlicher Druck bestehe derzeit ohnehin
       nicht: „Ab dem 1. April sehen wir aus Gründen des Welpenschutzes
       grundsätzlich von Entnahmen ab.“
       
       23 Mar 2022
       
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