# taz.de -- Neue Coronaregeln beschlossen: Regierung setzt sich durch
       
       > Sowohl die Bundesländer als auch Teile der Regierung kritisierten den
       > Gesetzentwurf. Trotzdem hat der Bundestag die neuen Coronaregeln
       > beschlossen.
       
 (IMG) Bild: Auch Karl Lauterbach stimmte im Bundestag für die weitgehende Abschaffung der Corona-Maßnahmen
       
       BERLIN taz | Der Bundestag hat das Infektionsschutzgesetz erneuert. Ab
       Sonntag, 20. März, gibt es dadurch [1][neue Coronaregeln], die
       grundsätzlich weitaus milder sind als die aktuellen Maßnahmen. Am
       Freitagmorgen stimmte das Parlament mit seiner Mehrheit der Stimmen der
       rot-grün-gelben Regierungsparteien einem entsprechenden Gesetzentwurf zu.
       
       Laut dem [2][neuen Gesetz] gilt ab Sonntag lediglich noch eine
       Maskenpflicht im Öffentlichen Personennahverkehr und in Einrichtungen, die
       mit vulnerablen Personen arbeiten, sowie eine Testpflicht in Heimen und
       Schulen. Lediglich in sogenannten „Hotspots“ können die Bundesländer
       weitere Maßnahmen erlassen, unter anderem eine Maskenpflicht in
       öffentlichen Innenräumen. Ein Hotspot kann von einem Stadtteil bis zur
       Größe eines ganzen Bundeslands reichen.
       
       Allerdings haben die Bundesländer angekündigt, zunächst einmal eine
       vorgesehene Übergangsfrist zu nutzen und die aktuell geltenden Schutzregeln
       bis längstens zum 2. April aufrechtzuerhalten. Alle 16 Bundesländer haben
       den nun beschlossenen Gesetzentwurf für unzureichend erklärt.
       
       In der Bundestagsdebatte kritisierte nicht nur die Opposition das Gesetz,
       sondern auch Redner*innen der Grünen. Sie hätten sich vor allem eine
       [3][weitreichendere Maskenpflicht] gewünscht, sagte unter anderem die grüne
       Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther.
       
       ## Lauterbach: „Kein Freedom Day“
       
       Trotz ihrer Bedenken stimmten die Grünen dem Gesetz zu. Ansonsten wären am
       Sonntag alle Maßnahmen ausgelaufen und das wäre schlimmer, betonte
       Kappert-Gonther in ihrer Rede. Das Gesetz sei ein demokratischer
       Kompromiss.
       
       Die CDU/CSU-Fraktion lehnte den Entwurf ab. Das Gesetz sei nicht
       rechtssicher, mahnte Tino Sorge an. „Das Gesetz erzeugt ein Wirrwarr“,
       sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Die darin
       festgeschriebene Hotspot-Regelung sei zu unklar definiert, „die
       Bundesländer wissen nicht, wie sie das umsetzen sollen“, so Sorge. Er
       schloss sich der Kritik der Bundesländer an, dass mit dem neuen
       Infektionsschutzgesetz keine angemessenen Schutzmaßnahmen vor dem
       Coronavirus möglich seien.
       
       Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte im Widerspruch dazu,
       das Gesetz sei der aktuellen Situation angemessen. Es handele sich um einen
       „schweren Kompromiss“. In der gegenwärtigen Phase der Pandemie „können wir
       nicht weiter das ganze Land unter Schutz stellen“. Andererseits sei die
       Bundesrepublik „nicht an dem Punkt, wo es schon einen Freedom Day geben
       könnte“.
       
       Am Freitag [4][meldete das Robert Koch-Institut (RKI)] mehr als 290.000
       registrierte Neuinfektionen mit dem Corona-Virus an einem Tag. Das ist ein
       neuer Höchstwert, dabei gehen Labor-Expert*innen von einer hohen
       Dunkelziffer aus. Während die Testungen in den vergangenen Wochen
       zurückgingen, blieb der Anteil positiver Tests bei etwa 50 Prozent. Das RKI
       meldete zudem 226 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus. Damit
       erhöht sich die Zahl der gemeldeten Coronatoten in Deutschland auf 126.646.
       
       Aber es bestehe zur Zeit keine Gefahr, dass großflächig die Krankenhäuser
       überlastet werden könnten, so Lauterbach. Durch die Coronavariante Omikron,
       die aktuell die meisten Infektionen verursacht, und eine mehrheitlich
       geimpfte Bevölkerung habe sich die Lage dahingehend geändert. Trotzdem
       könnten in einzelnen Gebieten immer noch Probleme für die
       Gesundheitsversorgung auftreten. Dafür seien die „Hotspot“-Regeln da.
       
       ## Schutz für vulnerable Personen im Supermarkt
       
       Die Linkspartei-Abgeordnete Susanne Ferschl warf jedoch ein, dass die
       „Hotspots“ einen „regionalen Flickenteppich“ schaffen könnten. Das Gesetz
       sei „handwerklich und inhaltlich schlecht“, kritisierte sie. Ferschl könne
       nicht nachvollziehen, wie die Bundesregierung eine Maskenpflicht abschafft,
       während große Teile von ihr [5][eine Impfpflicht] forderten.
       
       Die Maske biete ebenso Fremdschutz und greife geringer in die Freiheit ein.
       „Die vulnerablen Gruppen leben nicht nur im Heim, sondern mitten in unserer
       Gesellschaft“, erklärte Ferschl. Auch die Union kritisierte das.
       
       Christine Aschenberg-Dugnus, Gesundheitspolitikerin der FDP, begegnete
       diesem Argument damit, dass die Maske ja freiwillig weiter getragen werden
       könne. Die Gesellschaft könne da selbst agieren – das müsse nicht
       notwendigerweise der Staat übernehmen. Eine FFP2-Maske schütze auch die
       Träger*innen, sagte Aschenberg-Dugnus.
       
       ## Neuregelungen passieren den Bundesrat
       
       Das Gesetz ist bis zum 23. September befristet. Gesundheitsminister
       Lauterbach gab aber an: „Falls neue Varianten kommen, sind wir bereit,
       jederzeit das Infektionsschutzgesetz erneut anzupassen, um dieser neuen
       Lage Rechnung zu tragen.“
       
       Im Bundestag votierten 388 Abgeordnete für die Neuregelungen, 277 lehnten
       sie ab, zwei enthielten sich. Anschließend ließ am Mittag der Bundesrat
       unter offenem Protest das Gesetz passieren. Sie sähen sich gezwungen, das
       Gesetz passieren zu lassen, da andernfalls spätestens mit dem Ende der
       Übergangszeit am 2. April der Wegfall sämtlicher Regeln drohe, beschwerten
       sich mehrere Ministerpräsidenten in ihren Wortbeiträgen.
       
       „Das Verfahren ist unsäglich und schlichtweg unwürdig“, beklagte Hessens
       Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Es habe keine Abstimmung mit den
       Ländern gegeben, die Bundesregierung habe das nicht gewollt. „Juristisch
       ist das Murks“, sagte Bouffier mit Blick auf die geplante Hotspotregelung.
       Es sei „kaum erträglich, welchen Unsinn wir uns da bieten lassen müssen“.
       
       Den Ländern würden die Möglichkeiten zur Pandebieabwehr weitgehend
       genommen, kritisierte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow
       (Linkspartei). „Impfen, Testen, Abstandhalten, Maskentragen – das sind die
       Basics, mit denen wir arbeiten können müssen“, sagte Ramelow. Seine
       Erwartung sei gewesen, dass wenigstens dieses Basics ins neue
       Infektionsschutzgesetz hineinkommen. „Ich habe den Eindruck, dass uns bei
       der Pandemieabwehr die Bundesregierung den Stuhl vor die Tür gestellt hat“,
       sagte Ramelow.
       
       „Es ist schon abenteuerlich, wenn der Bundesgesundheitsminister zuerst ein
       Gesetz auf den Weg bringt, das keine ausreichenden Schutzmaßnahmen
       vorsieht, dann aber die Länder aufruft, die Übergangsregel zu nutzen“, gab
       Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu
       Protokoll. Das Virus breite sich aus wie ein Flächenbrand. „Aber statt mit
       schwerem Gerät und Löschflugzeugen sollen wir das Feuer jetzt mit
       Wassereimern und Gartenschläuchen bekämpfen“, so Kretschmann.
       
       18 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Umstrittenes-Ende-der-Maskenpflicht/!5838446
 (DIR) [2] https://dserver.bundestag.de/btd/20/009/2000958.pdf
 (DIR) [3] /Geplante-Coronalockerungen/!5838468
 (DIR) [4] /Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5842512
 (DIR) [5] /Bundestagsdebatte-zur-Corona-Impfpflicht/!5842369
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Muschenich
       
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