# taz.de -- Verfolgung von Queers im Irak: „Ein Leben in Abgeschiedenheit“
       
       > Im Irak ist Homosexualität legal. Doch bewaffnete Gruppen bedrohen,
       > belästigen, misshandeln und töten Queers – und bleiben meist unbestraft.
       
 (IMG) Bild: Baghdad, die Hauptstadt des Iraks – „Queers sind im Irak seit Jahren von Gewalt bedroht“
       
       BEIRUT taz | Lange Haare, aufgeknöpfte Hemden oder polierte Nägel: Ein Sinn
       für Mode, der die engen Gendernormen im Irak überschreitet, kann dort den
       Tod bedeuten. Das geht aus einem [1][am Mittwoch veröffentlichten Bericht
       der Zivilorganisationen Human Rights Watch (HRW) und IraQueer] über Gewalt
       gegen Queers im Irak hervor. Bewaffnete Gruppen entführen, vergewaltigen,
       foltern und töten ungestraft Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender
       (LGBT), so der Bericht.
       
       Queers sind im Irak seit Jahren von Gewalt bedroht, wobei der Staat die
       Täter wenig oder gar nicht zur Rechenschaft zieht. Human Rights Watch und
       IraQueer interviewten 54 LGBT-Iraker*innen, die Gewalt durch bewaffnete
       Gruppen und die Polizei erlebt haben. Sie beschrieben Verhaftungen und
       Angriffe durch Sicherheitsbeamte – verbal und körperlich, willkürliche
       Festnahmen und Inhaftierungen – oft ohne rechtliche Grundlage.
       
       Der 27-jährige Laith sagte, er habe beobachtet, wie Mitglieder einer
       bewaffneten Gruppe seinen Partner aus seinem Haus entführten, ihn quälten
       und töteten. Der 18-jährige Karim gab an, er sei 17 Jahre alt gewesen, als
       ihn die Polizei in Baghdad festgenommen, verbal und körperlich misshandelt,
       sexuell belästigt und einer erzwungenen Analuntersuchung unterzogen hatte.
       In acht Fällen richteten sich Übergriffe wie willkürliche Festnahmen und
       sexuelle Belästigung gegen Kinder im Alter von 15 Jahren.
       
       Viele der Betroffenen konnten die für den Angriff auf sie verantwortliche
       Gruppe identifizieren. Die an den schwersten Übergriffen Beteiligten sind
       schiitische Milizen. Sie unterstehen de facto dem irakischen Staat und sind
       dem Iran verbunden. Darunter die extremistische Miliz der „Liga der
       rechtschaffenen Leute“, [2][die Badr-Organisation] sowie die Kata’ib
       Hisbollah, die beide den syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad in dessen
       Krieg im Nachbarland unterstützen. Der Bericht dokumentiert auch versuchte
       Morde an LGBT, hauptsächlich durch die [3][Volksmobilmachungskräfte (PMF)].
       Die PMF ist eine Dachorganisation schiitischer Milizen, die ursprünglich
       gegründet wurde, um den Irak gegen den „IS“ zu verteidigen. Sie unterstehen
       der Autorität des Premierministers.
       
       ## Auch Militär und Polizei sind eine Bedrohung
       
       Auch vor dem offiziellen Sicherheitsapparat sind LGBT nicht sicher. Sie
       werden aufgrund ihres Aussehens an Checkpoints des Militärs belästigt, oder
       wenn sie ihn Haft geraten misshandelt. Sie berichten davon, dass ihnen
       Essen, Wasser und Medizin verweigert wurden, sie weder Anwalt noch
       Familienmitglieder kontaktieren durften. Sie sagten, die Polizei habe sie
       sexuell angegriffen und körperlich misshandelt und sie gezwungen,
       Erklärungen zu unterschreiben, dass sie nicht misshandelt worden seien.
       
       „Die irakische Regierung hat nichts unternommen, um die Gewalt zu stoppen
       oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen“, schreibt [4][Rasha Younes], die
       bei HRW zu den Rechten von Queers forscht. Die Menschenrechtsorganisation
       hat Briefe an die irakische Regierung, sowie an die kurdische
       Regionalverwaltung im Irak gesendet. Darin fragen sie nach der öffentlichen
       Verurteilung der Gewalttaten gegen LGBT, der Untersuchung der Vorfälle,
       angemessenen Bestrafungen und Mechanismen, die solche Vorfälle verhindern.
       
       Eine Antwort kam bisher nur vom Koordinator für internationale
       Interessenvertretung der kurdischen Regionalregierung, [5][Dindar Zebari].
       Er schreibt, die selbstverwaltete Region sei ein „sicherer Hafen“ für „die
       Ausübung von individuellen und kollektiven Freiheiten“. Aus seiner Antwort
       geht hervor, dass diese Freiheiten nur dann gelten, wenn die Betroffenen
       sich ruhig verhalten und ihre Rechte nicht „verfechten“, so wie die „Rasan
       Organisation“. Die steht vor Gericht, unter anderem, weil sie ihrem Namen
       den Zusatz „Förderung des Lebens von Homosexuellen“ hinzugefügt hatte. Dies
       stünde, so Zebari, gegen Artikel 10 des Gesetz über Zivilorganisationen in
       der kurdischen Region.
       
       25 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.hrw.org/news/2022/03/23/iraq-impunity-violence-against-lgbt-people
 (DIR) [2] https://carnegieendowment.org/sada/85470
 (DIR) [3] https://www.aljazeera.com/news/2021/6/26/iraq-paramilitaries-show-off-weaponry-in-big-anniversary-parade
 (DIR) [4] https://www.hrw.org/about/people/rasha-younes
 (DIR) [5] https://twitter.com/KRG_Coordinator
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Neumann
       
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