# taz.de -- Darfur-Sudan-Konflikt: Ein neuer Bürgerkrieg
       
       > In Darfur sterben Hunderte bei Kämpfen und Vertreibungen. Seit das
       > Militär im Sudan wieder regiert, nehmen die Konflikte zu.
       
 (IMG) Bild: Das Krankenhaus in Agok 2 Monate nach dem Durchzug von Milizionären im Februar
       
       BERLIN taz | In Sudans Krisenregion Darfur flammt der Bürgerkrieg neu auf,
       der zwischen 2003 und 2007 über 300.000 Tote forderte. Bei schweren Kämpfen
       in den vergangenen zehn Tagen sind nach UN-Angaben mindestens 221 Menschen
       getötet worden. Die Lage bleibe „angespannt und unvorhersehbar“, warnte am
       Sonntag das Sudan-Nothilfeteam der Weltgesundheitsorganisation.
       
       Die Gewalt begann am 22. April in der Stadt Kereneik rund 80 Kilometer
       östlich der Provinzhauptstadt El-Geneina. Acht Menschen starben und
       Dutzende von Häusern wurden angezündet, als arabische Milizionäre Rache an
       Angehörigen der nichtarabischen [1][Massalit-Ethnie] für den Tod zweier
       Araber nahmen, berichtete die lokale Koordinierungsstelle für Vertriebene.
       Zwei Tage später zählte die Organisation bereits 168 Tote, am 25. April
       [2][dehnte sich die Gewalt nach El-Geneina] aus, wohin sich Tausende
       Massalit aus Kereneik geflüchtet hatten.
       
       Da Verwundete aus Kereneik nach El-Geneina gebracht worden waren, um im
       dortigen international unterstützten Krankenhaus versorgt zu werden, kam es
       auch dort zu Kämpfen, bei denen „innerhalb der Einrichtung geschossen
       wurde, auch in der Notaufnahme“, wie das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen (MSF)
       am 26. April berichtete. Vier Krankenhausmitarbeiter wurden getötet, alle
       Patienten ergriffen die Flucht, Mütter nahmen sogar ihre an
       Sauerstoffmasken angeschlossenen Babys mit. „Patienten und Personal rannten
       um ihr Leben“, so MSF-Mitarbeiterin [3][Emily Wambugu].
       
       Die Angreifer werden von Augenzeugen als arabische Milizionäre mit
       Unterstützung der paramilitärischen [4][Rapid Support Force (RSF)]
       identifiziert – Nachfolger der arabischen Janjaweed-Milizen, die während
       des Darfur-Krieges ab 2003 die Speerspitze der staatlichen Gewaltverbrechen
       gewesen waren; ein ehemaliger Janjaweed-Kommandeur [5][steht derzeit beim
       Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vor Gericht]. Auf
       Videoaufnahmen aus Kereneik sind RSF-Angehörige mit nichtuniformierten
       Bewaffneten in RSF-Fahrzeugen zu sehen, während hinter ihnen schwarzer
       Rauch aus brennenden Straßenzügen aufsteigt.
       
       ## Offiziell hat der Sudan mit den Darfur-Rebellen Frieden geschlossen
       
       RSF-Befehlshaber Mohamed Hamadan Daglo, genannt Hametti, ist die Nummer
       zwei der sudanesischen Militärregierung in Khartum. Seiner Miliz wird
       nachgesagt, tief in Goldförderung und Goldschmuggel in Darfur verwickelt zu
       sein und dafür unliebsame Ethnien zu vertreiben.
       
       Seit Dezember 2021 gibt es im Gebiet um El-Geneina wieder blutige
       Landkonflikte zwischen Massalit und Arabern wie vor zwanzig Jahren. Auch in
       anderen Gebieten Sudans nehmen die bewaffneten Konflikte wieder zu. Der
       Konflikt in Darfur droht, außer Kontrolle zu geraten, warnt der Norwegische
       Flüchtlingsrat NRC: „Städte in Westdarfur brennen vor unseren Augen und
       Gemeinschaften werden ein ums andere Mal überfallen“, sagte
       NRC-Sudandirektor [6][Will Carter] vergangene Woche und forderte: „Die
       tödliche Gewaltspirale muss enden.“
       
       Das jedoch ist so gut wie unmöglich. Die Blauhelm-Mission Unamid, die 2007
       zur Befriedung Darfurs entstanden war, endete offiziell Ende 2020, nachdem
       Sudans zivil-militärische Übergangsregierung – gebildet nach dem Sturz des
       Diktators Omar Hassan al-Bashir im Rahmen eines Volksaufstandes 2019 –
       Frieden mit den verbleibenden Darfur-Rebellen geschlossen hatte. Das
       Juba-Abkommen vom August 2019 übertrug die Sicherheit in Darfur neu
       geschaffenen Regionalbehörden mit einer 20.000 Mann starken „Joint Force“
       von Armee, Polizei, Rebellen und RSF. Der ehemalige Darfur-Rebellenführer
       [7][Minni Minawi wurde Gouverneur von Darfur].
       
       Doch die Joint Force existiert größtenteils nur auf dem Papier. Minni
       Minawi ist faktisch machtlos. Seit Sudans Militär im Oktober 2021 die
       Übergangsregierung stürzte, ist auch das Friedensabkommen von Juba
       praktisch Makulatur. Lokalen Medien zufolge griffen RSF-Milizionäre auch
       die Joint Force an, als Fliehende in Kereneik bei ihr Schutz suchten. Die
       Friedenstruppe ergriff die Flucht.
       
       3 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/sudan-arabische-staemme-toeten-mindestens-160-menschen-17980862.html
 (DIR) [2] https://www.reuters.com/world/middle-east/west-darfur-fighting-spreads-capital-city-el-geneina-residents-2022-04-25/
 (DIR) [3] https://www.msf-me.org/media-centre/news-and-stories/west-darfur-testimony-emily-wambugu-msf-project-medical-referent
 (DIR) [4] /Protestbewegung-im-Sudan/!5587961
 (DIR) [5] https://www.dw.com/de/erster-prozess-wegen-darfur-verbrechen-er%C3%B6ffnet/a-61367307
 (DIR) [6] https://twitter.com/WillCarter_NRC
 (DIR) [7] https://www.dabangasudan.org/en/all-news/article/minni-minawi-to-be-inaugurated-as-governor-of-darfur
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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