# taz.de -- Russlandpolitik von Merkel und Co.: Fragen am Golf von Neapel
       
       > Hoch über dem Meer ist der Blick frei auf Merkels Lieblingsinsel. Was sie
       > im Urlaub von der eigenen Politik wohl denkt? Und was will Scholz?
       
 (IMG) Bild: Angela Merkel mit ihrem Mann Joachim Sauer auf ihrer italienischen Lieblingsinsel Ischia 2007
       
       Ostermontag, hoch oben über [1][Neapel]. Ich stehe an der Klippe des Cap
       Posillipo und genieße den Ausblick über das Meer. Unter mir öffnet sich
       prachtvoll der Golf, von hier aus sieht man die „drei Schönen“ im Wasser
       liegen, die Inseln Capri, Procida und Ischia, die Lieblingsinsel der
       Ex-Kanzlerin. Ich stelle mir vor, wie „La Märkäl“, wie die Italiener sie
       nennen, drüben in einem Strandrestaurant sitzt mit ihrem Mann, vor sich
       einen Teller Linguine allo Scoglio, nach Klippenart, mit Muscheln,
       vielleicht auch ein Glas Weißwein. Merkels bevorzugter Ort ist das
       beschauliche Fischerdorf Sant’ Angelo – vor rund zwanzig Jahren, es war
       während des zweiten Tschetschenienkriegs, habe ich einmal einen Tross
       Leibwächter und Fotografen über die Piazza huschen sehen, in ihrer Mitte
       zwei Menschen, das müssen sie gewesen sein.
       
       Vielleicht war es aber auch Gerhard Schröder mit seiner damals aktuellen
       Gattin, auch er ein Liebhaber der Insel mit den Thermalquellen und seit
       2004 Ehrenbürger von Ischia. Ob er es noch ist, angesichts seiner
       Freundschaft zum Kriegsverbrecher Putin? Und ob Merkel, wenn sie heute auf
       Ischia urlaubt, dort noch so willkommen ist wie früher, jetzt wo die
       verheerenden Folgen ihrer von deutschem Wirtschaftsegoismus getriebenen
       „europäischen“ Russlandpolitik so klar daliegen wie das Meer am Strand von
       Sant’ Angelo?
       
       Jedenfalls war von Frau a. D. bislang nicht mehr zu hören als eine
       schmallippige Mitteilung, dass es richtig war, 2008 der Ukraine und
       Georgien den Nato-Beitritt zu verweigern. Ob Merkel in ihrem Urlaub von der
       eigenen Politik wohl die blau-gelbe Solidaritätsbeflaggung auf vielen
       Dächern in Kampanien wahrnimmt, die Informations- und Hilfestationen für
       ankommende Flüchtlinge, die zwischen den Touristenströmen umherirrenden
       Frauen und Kinder?
       
       Im Bus 140, der den Hügel zum Hafen herunterrattert, spricht mich eine Frau
       auf Polnisch an, dann auf Ukrainisch. Sorry, deutsche Touristin, sage ich.
       Das ist gut, antwortet sie auf Englisch, so solle es auch sein: zu Ostern
       Meer und Pizza mit der Familie. Sie hingegen hänge hier fest und warte auf
       ihren Mann, der in Deutschland Arbeit gefunden habe. Bald wollten sie sich
       in Neapel treffen und zusammen überlegen, wie und vor allem wo es jetzt für
       sie weitergehe. Nach Hause könnten sie nicht mehr, „kaputt“, murmelt sie
       auf Deutsch und zuckt hilflos mit den Schultern.
       
       Ja, es ist ein Luxus, sich für ein paar Tage eine Auszeit vom Alltag und
       den (Kriegs)nachrichten zu nehmen und mit der Familie auf den Klippen
       herumzusteigen. So ganz wegdrängen lassen sich die Nachrichten natürlich
       nicht – beim Kaffee mit einem italienischen Bekannten fragt mich der, ob
       eigentlich schon jemand zurückgetreten sei aus der Ära Merkel. Eine
       logische Frage, vor allem aus Italien, wo man noch gut im Ohr hat, wie
       schulmeisterlich deutsche Politiker:innen in der Eurokrise den
       südlichen „Schuldenstaaten“ erklärten, dass man für die Folgen der eigenen
       Politik halt auch selbst einstehen müsse.
       
       Wer steht eigentlich ein für die offensichtlich gescheiterte deutsche
       Russlandpolitik? Merkel ja nicht mehr. [2][Steinmeier]? Hat wortreich
       Abbitte geleistet, um sein Amt zu retten. Oder Nord-Stream-2-Königin
       Schwesig? Beharrt noch immer auf den Vorzügen der „brückenbauenden“
       Gasinfrastruktur. Und Bundeskanzler Scholz? Was denkt er, was will er, was
       will er liefern nach Kiew?
       
       Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Oder wie würden Sie so einen Satz übersetzen,
       und sei es auch nur ins Deutsche: „Deshalb ist es so, dass es kein Zufall
       ist, dass alle zu dem gleichen Schluss gekommen sind, dass den meisten Sinn
       macht, wenn zum Beispiel solche Systeme, die bei den osteuropäischen
       Nato-Partnern noch vorhanden sind, von dort aus eingesetzt werden, und wir
       denen dann ermöglichen, dass ihre eigene Sicherheit für die Zukunft
       gewährleistet bleibt.“
       
       Ist damit dieser [3][Waffen-Ringtausch] gemeint? Oder ist das wieder nur so
       eine Scholz’sche Nullfloskel? Zur Übersetzung behelfe ich mich mit einer
       international bekannten Geste: Beide Handflächen zeigen geöffnet nach oben.
       
       22 Apr 2022
       
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