# taz.de -- Bundespräsident unerwünscht in Kiew: Lieber Panzer als Steinmeier
       
       > Die Ausladung von Bundespräsident Steinmeier stößt in der Ukraine auf
       > Zustimmung. Es gibt aber auch kritische Stimmen.
       
 (IMG) Bild: Wolodimir Selenski während eines Interviews in seinem Büro in Kiew am 9. April 2022
       
       taz | Ein Diplomat ist Wolodimir Selenski wirklich nicht. Selbst im
       höchsten politischen Amt bleibt der Präsident ein einfacher Mann und
       Ukrainer, der seinen Emotionen und seinem Schmerz über die Massengräber in
       Butscha mehr Raum gibt als den Gepflogenheiten der Diplomatie. Dabei weiß
       er wohl ganz genau, was sein Handeln bewirkt. In seinem undiplomatischen
       Verhalten ist er authentisch und genießt eben deswegen auf dem
       internationalen Parkett so viel Wertschätzung.
       
       Und weil er das spürt, hat er auch keinen Grund, sein Verhalten zu ändern.
       Nicht gegenüber den Vertretern wichtiger Staaten und auch nicht gegenüber
       der deutschen Führung. Denn Selenski hat schnell begriffen, dass westliche
       Politiker eine Sache tun und gleichzeitig auch etwas ganz anderes tun
       können. Sie haben zum Beispiel Sanktionen verhängt und gleichzeitig Nord
       Stream 2 gebaut. Und so kann er auch Deutschland für dessen Hilfe dankbar
       sein und es gleichzeitig kritisieren und mehr einfordern.
       
       Und mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat er ein Gegenüber, das
       bei den Ukrainer:innen [1][viele negative Gefühle] hervorruft. Nach
       Steinmeier ist die sogenannte Steinmeier-Formel benannt, die in ihrem Kern
       bei den Verhandlungen um eine Regelung für den Donbass der russischen
       Position sehr nahe kommt. In der Ukraine sieht man Steinmeiers Verhalten
       gegenüber Russland und seine Förderung von Nord Stream 2 als Zugeständnis,
       das letztendlich den russischen Überfall auf die Ukraine ermöglicht hat.
       
       Die ukrainische Regierung sieht auch im deutschen Nein von 2008 zu einer
       Nato-Mitgliedschaft der Ukraine die Handschrift von Merkel und Steinmeier.
       Enttäuschung und Wut haben auch die deutsche Lieferung von 5.000 Helmen und
       die Finanzierung eines Lazaretts ausgelöst. Man hatte sich von Deutschland
       wirklich mehr erwartet. Und auch nach Kriegsbeginn ärgerte man sich über
       die halbherzige Position Deutschlands, das Banken und Energieträger von
       den Sanktionen ausnahm.
       
       ## „Derartige Handlungen sind nicht zielführend“
       
       In der Bevölkerung wird die Absage an Steinmeier mit Genugtuung
       aufgenommen. „Ich verstehe und unterstütze Selenski. Im Gegensatz zu den
       Polen, Balten, Briten und Amerikanern haben die Deutschen doch nie klar im
       Interesse der Ukraine gehandelt. Während die anderen uns zu 100 Prozent
       unterstützen, unterstützen die Deutschen uns nur zu 50 Prozent“, erklärte
       die 37-jährige Diätologin Olga aus Hostomel gegenüber der taz.
       
       Und sofort nach Bekanntwerden der Ablehnung postete der ukrainische
       Journalist Denis Trubetskoy auf seiner Facebook-Seite: „Falls die
       Informationen stimmen, dass Präsident Selenski ein Treffen mit Steinmeier
       ablehnte, hat er aus meiner Sicht alles vollkommen richtig gemacht. Er muss
       in diesen Zeiten sicher nicht einen der wichtigsten Befürworter des
       eigentlich moralisch verbrecherischen Nord-Stream-2-Projekts in Kiew
       empfangen, auch dann nicht, wenn dieser zufällig Bundespräsident ist.“
       
       Demgegenüber ist es für den Blogger Evgeny Istrebin keine gute Idee,
       Derartiges in aller Öffentlichkeit zu erklären. In der Diplomatie bewege
       man sich auf dünnem Eis, derartige Handlungen seien nicht zielführend,
       postete er auf seiner Facebook-Seite. „Für uns ist es jetzt wichtig, dass
       Deutschland zuerst mit den [2][Waffenlieferungen] beginnt. Und das darf
       nicht erst Ende des Jahres passieren, und es sollten auch keine Helme und
       Handfeuerwaffen, sondern vielmehr schwere Waffen, Artillerie, gepanzerte
       Fahrzeugen etc. sein.“
       
       13 Apr 2022
       
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