# taz.de -- WM im Schwergewichtsboxen: Der „Gipsy King“ tritt ab
       
       > Tyson Fury schlägt Dillian Whyte in der sechsten Runde k.o. Nun will sich
       > der umstrittene Schwergewichtler aus dem Boxsport zurückziehen.
       
 (IMG) Bild: Tyson Fury (li.) jubelt, Dillian Whyte ist gerade k.o. gegangen
       
       Angekündigt hatte [1][Tyson Fury], Kampfname „Gipsy King“, seinen Rücktritt
       ja deutlich, und damit es auch jeder versteht, ließ er am Samstag im
       Londoner Wembleystadion seinen Lieblingssong spielen: „American Pie“ mit
       der Textzeile „the day the music died“, der Tag, an dem die Musik starb –
       oder das Boxen.
       
       Aber glauben will es dennoch niemand so recht: Nun soll also Schluss sein,
       der 33-jährige Profiboxweltmeister aus England will seinen WBC-Titel kein
       weiteres Mal verteidigen, der K.-o.-Sieg am Samstag gegen den Briten
       Dillian Whyte soll das Ende einer noch gar nicht vollendeten Boxerkarriere
       bedeuten.
       
       94.000 Menschen waren im Stadion, und wie bei so großen Ereignissen üblich,
       begann auch dieser Kampf zögerlich. Whyte, der üblicherweise als
       Linksausleger boxt, kam als Rechtsausleger in die erste Runde. Verwirrung
       stiften, das schien sich der 34-Jährige als Taktik zurechtgelegt zu haben.
       Dass sein Gegner zu den wenigen Boxern gehört, die mal die rechte, mal die
       linke Führhand gleichermaßen gut einsetzen, schien man sich im Whyte-Lager
       nicht überlegt zu haben.
       
       Ab der zweiten Runde kämpfte Whyte wieder so, wie er es immer tat. Ein
       Mittel gegen Fury fand er dennoch nicht. Zweimal ging er gar mit dem
       Ellenbogen in Furys Gesicht, und immer wieder holte er zu Schwingern aus,
       die mal Furys Körper, meist aber die Luft links oder rechts von Fury
       trafen. Gegen Ende der 6. Runde machte Tyson Fury Schluss: ein fulminanter
       Uppercut, mit der Rechten geschlagen, ließ Dillian Whyte k. o. gehen.
       
       ## Nun gibt es keine Fury-Kämpfe gegen Usyk und Joshua
       
       Vier Jahre hatte Whyte auf die Titelchance gewartet, am Samstag hatte er
       von Beginn an keine Chance. Fury hingegen bleibt ungeschlagen: 33 Kämpfe,
       32 Siege, ein Unentschieden. Dass Tyson Fury der aktuell beste
       Schwergewichtler der Profiszene ist, sehen viele Beobachter so. Aber wenn
       er nun wirklich seine Karriere beendet, werden ihm Kämpfe gegen Anthony
       Joshua (England) und Oleksandr Usyk (Ukraine) fehlen. Die bereiten sich
       derzeit auf einen Rückkampf vor – Nummer eins ging an Usyk, der damit
       Weltmeister von WBA, WBO und IBF ist –, und ein Fight des Siegers gegen
       WBC-Champ Tyson Fury wäre eine große Nummer: sportlich und finanziell.
       
       Und kulturell. Dass sich Tyson Fury den Kampfnamen „Gipsy King“ gab, ist
       kein Zufall. Wenn auch im englischen Manchester geboren, gehört er zu einer
       Familie irischer Traveller, der [2][Pavee]. Auch wenn sie keine Verbindung
       zu Sinti und Roma haben, sehen sie sich doch als Gypsies. In der
       gesellschaftlichen Hierarchie Irlands sind die Pavees sehr weit unten
       angesiedelt, immerhin: Seit 2017 sind sie vom Staat als indigene ethnische
       Gruppe anerkannt.
       
       Und sie haben eine lange Tradition im Berufsboxen. „Während in anderen
       Kulturen kleine Kinder einen Ball herumkicken, schlagen wir mit den Händen
       zu“, hat Fury einmal erklärt. Bei den Pavee wird gerade die Tradition des
       Bare-Knuckle-Boxens hochgehalten, des eigentlich seit 130 Jahren
       abgeschafften Kämpfens ohne Handschuhe. Furys Vater John war noch in den
       achtziger Jahren Bare-Knuckle-Boxer. Nach dem Kampf in London baute sich
       John Fury enthusiasmiert vor der TV-Kamera auf und brüllte etwas von einer
       „best performance ever“, sein Sohn habe gegen Dillian Whyte die beste
       Boxdarbietung aller Zeiten geliefert.
       
       Tyson Fury ist eine, höflich gesagt: [3][kontroverse Persönlichkeit], hat
       schon öffentlich über „zionistische, jüdische Leute, denen alle Banken,
       Zeitungen und Fernsehsender“ gehörten, geschimpft, hat ein gesetzliches
       Verbot von Homosexualität gefordert und möchte Frauen untersagen,
       Erwerbsarbeit nachzugehen. Für all diese Ausfälle hat er sich jeweils
       später entschuldigt, aber es ist wie mit seiner Rücktrittserklärung. „Ich
       gehe nach Hause zu Frau und Kindern. Ich verbringe sehr viel Zeit auf der
       Straße“, sagte Fury nach dem Kampf. Glauben will man das erst, wenn es
       bewiesen ist.
       
       Ob die Entscheidung endgültig sei, wollte ein Journalist wissen. „I
       definitely think so“, lautete die interpretationswürdige Antwort.
       
       24 Apr 2022
       
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