# taz.de -- Bekämpfung von Antiziganismus: Mehr Bildungsarbeit bei der Polizei
       
       > Im Südwesten wirkt der Verband deutscher Sinti und Roma künftig an der
       > Polizeiausbildung mit. Antiziganistische Vorfälle sollen so verhindert
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Will die Polizei über interne Antiziganismusprobleme sensibilisieren: Grünen-Politiker Romeo Franz
       
       BERLIN taz | Die Polizei hat ein Antiziganismusproblem – und möchte sich
       diesem nun stellen. Am Dienstag teilte der Verband deutscher Sinti und Roma
       (VDSR) mit, dass der Landesverband von nun an in der Polizeiausbildung in
       Baden-Württemberg mitwirken werde.
       
       Laut VDSR geht die Entscheidung über eine Zusammenarbeit auf ein Gespräch
       mit dem Innenminister Thomas Strobl (CDU) zurück. Erst im Frühjahr 2021
       hatte es einen Fall gegeben, an dem ein [1][elfjähriger Sinto] von der
       Polizei kontrolliert und mit Handschellen ins Polizeiauto bugsiert wurde.
       Daraufhin hatte sich der EU-Abgeordnete Romeo Franz (Grüne) für die
       Notwendigkeit ausgesprochen, die Polizei über interne
       Antiziganismusprobleme zu sensibilisieren. Auch Chana Dischereit vom
       Landesverband der Sinti und Roma hatte gegenüber der taz erklärt, dass sich
       der Fall in eine [2][Reihe von Vorfällen] von Polizeigewalt gegen Sinti und
       Roma füge.
       
       Nun soll mit der Kooperation mit dem VDSR ein Vertrauensverhältnis zwischen
       der Polizei und der deutschen nationalen Minderheit der Sinti:zze und
       Rom:nja sowie zugewanderten Rom:nja etabliert werden.
       
       Die Auftaktveranstaltung fand am Mittwoch am Standort Herrenberg der
       Hochschule für Polizei statt und wurde von Daniel Strauß, dem
       Landesvorsitzenden des VDSR in Baden-Württemberg, sowie dem
       Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey geleitet.
       
       ## Die Diskriminierung sitzt tief
       
       In der Eröffnungsrede lobte Strauß die zukünftige Zusammenarbeit: „Es
       bewegt mich zutiefst, dass wir heute hier miteinander sind, dass wir diesen
       gemeinsamen Weg zurückgelegt haben, dass die Aufarbeitung vorangegangen
       ist“, sagte er.
       
       Gleichzeitig holte Strauß weit aus und sprach über die Historie von
       Sinti:zze und Rom:nja in Deutschland sowie über die Zeit des Dritten
       Reiches: „Noch am Anfang des Zweiten Weltkrieges beschuldigten sowohl das
       Deutsche Reich als auch Frankreich die im Grenzgebiet lebenden Sinti und
       Roma, Spione der jeweils anderen Seite zu sein.“ Laut Strauß sei ab 1933
       die [3][Polizei und insbesondere die Kriminalpolizei] jene Institution
       gewesen, die „die lückenlose Erfassung der Minderheit ebenso wie ihre
       Ausgrenzung und Schikanierung betrieb“.
       
       In der Gegenwart entspräche aber ein vermeintlicher Gegensatz von „Polizei
       hier, Sinti und Roma dort“ nicht der Realität, so Strauß. Mit Günther Weiss
       sei schließlich auch ein Sinto und erster Kriminalhauptkommissar (außer
       Dienst) zugegen.
       
       ## Gemeinsam Vorurteile abbauen
       
       Um trotzdem antiziganistische Vorfälle seitens der Polizei in Zukunft zu
       vermeiden, wird auf die geplante Kooperation gesetzt. Für angehende
       Polizist:innen in Baden-Württemberg soll es Begegnungsprogramme mit
       jüngeren Sinti:zze und Rom:nja geben. Regelmäßige Aufklärungsreferate
       gegen Antiziganismus sowie Besuche des RomnoKehr, ein Lern- und
       Begegnungsort in Mannheim, sollen Teil des Fort- und Ausbildungsprogramms
       werden.
       
       Der Pressesprecher der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, Dirk
       Schmelzer, hofft, durch die Kooperation Verständnis für die jeweils andere
       Gruppe zu schaffen. „Erste Ergebnisse, also ein vertrauensvolles
       Miteinander, konnten bereits bei der Auftaktveranstaltung gesehen werden“,
       erklärt Schmelzer. Von der Zusammenarbeit erhoffe er sich, „dass Probleme
       erst gar nicht entstehen“.
       
       Auch Dischereit begrüßt „die offene und wertschätzende Zusammenarbeit“ mit
       der Hochschule Herrenberg. Durch die Kooperation soll ein „gegenseitiges
       Verständnis und die Vermittlung von Fachwissen aus Perspektive der
       Minderheit und neuster Forschung“ aufgebaut werden. Der Schwerpunkt liege
       dabei auf den „Dialog zwischen Minderheit und Auszubildenden“.
       
       Indes feierte in Heidelberg der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma das 40.
       Jubiläum. Dieser wird am Donnerstag mit einem Festakt zelebriert.
       Interessierte können die Zeremonie über einen Livestream auf ihrer Webseite
       oder über die sozialen Medien verfolgen.
       
       Anmerkung der Redaktion: Der Text wurden nachträglich um die Zitate der
       Polizei ergänzt.
       
       7 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Shoko Bethke
       
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