# taz.de -- Bundeswehr-Sondervermögen im Bundesrat: Konfuse Signale
       
       > Bundeskanzler Scholz will das „Sondervermögen Bundeswehr“ im Grundgesetz
       > verankern. Bei der ersten Beratung im Bundesrat gab es keine klare
       > Zustimmung.
       
 (IMG) Bild: Geld für die Bundeswehr: Der Bundesrat stimmt nicht für 100 Milliarden extra
       
       BERLIN taz | Sind die Bundesländer an der Seite des Kanzlers? Bei der
       ersten Beratung über das Sondervermögen Bundeswehr gab es am vergangenen
       Freitag im Bundesrat keine klaren Signale. Erst fehlte die Zustimmung der
       Länderkammer, eine halbe Stunde später gab es sie dann doch noch.
       
       Am 27. Februar, drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine,
       hielt Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag seine Zeitenwende-Rede. Darin
       kündigte er ein „Sondervermögen Bundeswehr“ an, das Kredite in Höhe von 100
       Milliarden Euro aufnehmen kann, um die Bundeswehr wieder einsatzfähig zu
       machen. Dieses Sondervermögen solle auch im Grundgesetz verankert werden.
       
       Sinn der Grundgesetz-Änderung ist, dass der Bund trotz der
       grundgesetzlichen Schuldenbremse zusätzliche Schulden machen darf. So
       könnte der Bund in den nächsten Jahren zum Beispiel teure Jagdflieger
       anschaffen, ohne deshalb die Sozialausgaben kürzen zu müssen.
       
       Die Grünen versuchten zunächst, die Verwendung der Mittel auch auf
       humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit auszuweiten. Sie ließen
       sich dann aber besänftigen, als die Bundesregierung Anfang März ankündigte,
       sie werde in den kommenden vier Jahren auch 200 Milliarden Euro für den
       Klimaschutz ausgeben.
       
       Im Gesetzentwurf für die Grundgesetzänderung, den die Bundesregierung am
       17. März beschloss, ist jedenfalls festgeschrieben, dass das Sondervermögen
       „zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ dient. In Artikel
       87a soll ein neuer Absatz 1a dieses Sondervermögen absichern.
       
       Erforderlich ist hierfür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im
       Bundesrat. Im Bundestag will die CDU-CSU-Fraktion zur geplanten
       Grundgesetzänderung nur die 75 Stimmen beisteuern, die für die
       Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich sind. Das hatte Friedrich Merz, der
       CDU/CSU-Fraktions-Chef, Ende März angekündigt. Wenn auch nur ein:e
       Abgeordnete der Ampel-Koalition dagegen stimmt, wäre die
       Grundgesetzänderung zum Sondervermögen gescheitert.
       
       ## Seltsamer Vorgang um Bodo Ramelow
       
       Doch auch im Bundesrat läuft nicht alles glatt. Anfang April sorgten die
       vier links-mitregierten Länder Thüringen, Berlin, Bremen und
       Mecklenburg-Vorpommern für gewisses Aufsehen. In einer gemeinsamen
       Erklärung von Links-Politiker:innen, die unter anderem von Thüringens
       Ministerpräsident Bodo Ramelow unterzeichnet war, hieß es, diese vier
       Länder werden einem Sondervermögen Bundeswehr nicht zustimmen, weil es eine
       „Spirale der Aufrüstung“ auslöse. Stattdessen solle das Geld für eine
       „Energiewende für alle“ ausgeben werden.
       
       Ramelow war bis zum Freitagmorgen auch als Redner im Bundesrat angekündigt,
       was ja zum Ziel der Linken gepasst hätte, wieder sichtbarer zu werden. Doch
       Ramelow redete dann doch nicht. Laut dem Thüringer Regierungssprecher Falk
       Neubert war nie geplant, dass Ramelow redet. Der linke Ministerpräsident
       habe nicht aus Rücksicht auf die Thüringer Koalitionspartner SPD und Grüne
       zurückgezogen. Ein konfuses Signal, das zum Zustand der Linken passt.
       
       Und wie verhielten sich die CDU/CSU-mitregierten Länder am Freitag im
       Bundesrat? In der Debatte, bei der nur Unions-Politiker redeten, sagte
       NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), er unterstütze das
       Sondervermögen, wenn „jeder Cent bei der Bundeswehr landet“. Sachsens
       Innenminister Roland Wöller (CDU) bezeichnete das Sondervermögen als
       „richtig und notwendig“. Bayerns Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann (CSU)
       war im Prinzip auch dafür, solange sichergestellt ist, dass das Geld
       wirklich in neue Ausrüstung fließt und nicht in die Verwaltung und die
       Pensionslasten der Bundeswehr.
       
       Um so erstaunlicher war dann das Ergebnis der ersten Abstimmungen am
       Freitag. Weder die Grundgesetzänderung noch das Begleitgesetz zum
       Sondervermögen fanden eine Mehrheit im Bundesrat. Die Länderkammer
       signalisierte damit zunächst keine Zustimmung.
       
       An den Linken allein kann das nicht gelegen haben, denn die vier
       links-mitregierten Länder stehen nur für 14 der 69 Stimmen im Bundesrat.
       Offensichtlich hatten auch alle oder viele der zehn CDU-CSU-mitregierten
       Länder ihre Zustimmung verweigert.
       
       Allerdings wurde das Sondervermögen Bundeswehr eine halbe Stunde später vom
       Bundesrat ausdrücklich begrüßt. Noch ein konfuses Signal. In einer
       Stellungnahme des Bundesrats zum Haushaltsgesetz 2022 heißt es: „In
       Anbetracht der geänderten europäischen Sicherheitslage unterstützt der
       Bundesrat das Vorhaben des Bundes, ein 100 Milliarden Euro umfassendes
       Sondervermögen Bundeswehr zu errichten.“ Über den entsprechenden Absatz war
       sogar separat abgestimmt worden.
       
       Erklärungen für das widersprüchliche Abstimmungsverhalten gab es im
       Bundesrat keine. Die Länderkammer wird immer mehr zur Wundertüte, weil es
       in den Bundesländern mehr als ein Dutzend unterschiedlicher Koalitionen
       gibt.
       
       Der nächste Schritt auf dem Weg zum Sondervermögen ist nun die Beratung im
       Bundestag. Der Termin ist noch nicht bekannt. Wenn die Grundgesetzänderung
       dort eine Zwei-Drittel-Mehrheit gefunden hat, muss der Bundesrat
       abschließend ebenfalls mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen.
       
       Hinweis der Redaktion: In einer ersten Version des Artikels war von einer
       „Klatsche für die Bundesregierung“ die Rede, weil nur die Abstimmungen zum
       Sondervermögen, nicht aber die Abstimmungen zum Haushaltsgesetz ausgewertet
       wurden.
       
       8 Apr 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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