# taz.de -- Wahlen in Großbritannien: Starke Verluste für Boris Johnson
       
       > Die Ergebnisse der Konservativen brechen ein, Liberale und Grüne
       > profitieren. Die Labour-Partei ist weniger erfolgreich als von vielen
       > erwartet.
       
 (IMG) Bild: Nicht so zufrieden: Boris Johnson
       
       LONDON taz | Boris Johnsons Konservative haben bei den britischen
       Kommunalwahlen vom Donnerstag landesweit starke Verluste verzeichnet.
       Tory-Bastionen wie die Londoner Bezirke Wandsworth, Westminster und Barnet
       fielen ebenso an die Labour-Opposition wie Rossendale in Lincolnshire, die
       südenglischen Städte Worthing, Crawley und Southampton, Cumberland im
       Norden und Monmouthshire in Wales.
       
       In Schottland wurde Labour die stärkste Oppositionskraft zur dominierenden
       [1][SNP] (Schottische Nationalpartei), die selbst zulegte und nun volle
       Kraft voraus in Richtung eines zweiten [2][Unabhängigkeitsreferendums] 2023
       steuern will.
       
       In England triumphierte aber an erster Stelle nicht Labour. Die
       [3][Liberaldemokraten] konnten in Wokingham, in Tunbridge Wells, in der
       Heimat des Ex-Premiers David Cameron in West-Oxfordshire sowie im
       ländlichen südwestenglischen Somerset stärkste Kraft werden. Diese Siege
       folgen dem Trend von Nachwahlen im letzten Jahr. Relativ gesehen legten die
       [4][Grünen] am stärksten zu. Sie konnten die Anzahl ihrer Sitze mehr als
       verdoppeln.
       
       Konservative Kommunalpolitiker:innen begründeten die Verluste mit
       dem gesunkenen Ansehen ihrer Partei aufgrund von Partygate und
       unzureichenden Maßnahmen gegen den rapiden Anstieg der
       Lebenshaltungskosten. Manche wie der Parteiführer in Carlisle im Norden
       Englands empfahlen Johnsons Rücktritt.
       
       ## In einigen Brexit-Hochburgen legten die Konservativen zu
       
       Premierminister Boris Johnson bezeichnete die Ergebnisse als „schwer“,
       jedoch mit „gemischten Resultaten“. Labour hat nämlich längst nicht so gut
       abgeschnitten, wie es nötig wäre, um jetzt als Favorit in die nächsten
       Parlamentswahlen 2024 zu gehen. Nicht nur holte Labour verlorene ehemalige
       Hochburgen nicht zurück.
       
       In Hartlepool, vor genau einem Jahr Ort eines spektakulären konservativen
       Nachwahlsiegs, legten die Tories sogar noch zu, und in London verlor Labour
       den Bezirk Harrow an die Konservativen, die sich auch im Bezirk Hillingdon,
       der Teile von Boris Johnsons Wahlkreis umfasst, locker behaupteten.
       Außerdem besiegten die Tories Labour in den nordenglischen Städten Barnsley
       und Bolton, in Südostengland in Thurrock und Basildon – alles
       Brexit-Hochburgen mit schlechter sozialer Situation.
       
       Eine erstaunliche Entwicklung gab es im verarmten Ostlondoner
       Kommunalstadtbezirk Tower Hamlets. Der im Jahr 2015 wegen
       [5][Wahlmanipulation] verurteilte ehemalige Bürgermeister [6][Lutfur
       Rahman] besiegte den bisherigen Labour-Bürgermeister John Biggs, und seine
       Partei Aspire wurde stärkste Kraft.
       
       Rahman gehört zur bangladeschstämmigen Bevölkerungsgruppe, der größten des
       Bezirks, und soll Stimmen dieser sowie somaliastämmiger Wähler:innen
       geholt haben, aber auch Stimmen aus der weißen Arbeiterklasse, die Labour
       Verkehrsberuhigungen übel nahmen.
       
       ## Keir Starmers „Beergate“ trübt die Stimmung bei der Labour-Partei
       
       Zwar gab sich Labour-Oppositionsführer Keir Starmer am Wochenende
       zuversichtlich, doch wurde die Stimmung in seiner Partei durch die
       Ankündigung getrübt, dass die Polizei in Durham im Nordosten Englands eine
       eigentlich abgeschlossene Ermittlung gegen ihn wegen Bruchs der
       Corona-Lockdownregeln im Mai 2021 wieder aufgenommen hat.
       
       Nachdem Starmer immer wieder gefordert hatte, dass Boris Johnson wegen den
       Covid-Regelbrüchen in 10 Downing Street zurücktreten sollte, wittern nun
       nicht nur die Tories Morgenluft wegen „Beergate“, sondern auch Anhänger von
       Starmers Vorgänger Jeremy Corbyn.
       
       Der Spieß könnte sich aber auch wieder rasch umdrehen, denn weitere
       Ergebnisse zu den Ermittlungen der Londoner Polizei bezüglich
       [7][Partygate] stehen bevor und damit mögliche weitere Bußgeldbescheide
       gegen Johnson. Am Dienstag wird der Premier bei der Eröffnung der neuen
       Sitzungsperiode des Parlaments über die traditionell von der Queen
       verlesene Regierungserklärung sein politisches Programm für das nächste
       Jahr vorstellen. Viele glauben, dass es hier zu Überraschungen kommen
       könnte.
       
       8 May 2022
       
       ## LINKS
       
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