# taz.de -- Abtreibungsverbot in den USA: Sargnagel der Demokratie
       
       > In weiten Teilen der USA könnten legale Abtreibungen bald schwierig bis
       > unmöglich werden. Das trifft vor allem Marginalisierte und Schwarze.
       
 (IMG) Bild: Demonstration für Abtreibungsrechte in Chicago am 7. Mai 2022
       
       Das für viele Unvorstellbare ist geschehen. Oder genauer gesagt, es wird
       mit aller Wahrscheinlichkeit bald geschehen: Das höchste Gericht der USA
       [1][will Roe v. Wade, die Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1973, kippen].
       Bald könnten in weiten Teilen der USA legale Abtreibungen schwierig bis
       unmöglich gemacht werden.
       
       Dass Verbote und Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen nichts mit
       ergebnisorientierter Politik zu tun haben, ist langsam wirklich eine Binse.
       Durch Abtreibungsverbote werden nicht mehr Kinder geboren. Statistiken
       [2][wie die des renommierten Guttmacher Institute] zeigen es immer wieder:
       Eine Illegalisierung führt nicht zu weniger Abbrüchen, sondern nur zu mehr
       illegalen Abbrüchen. Oder dazu, dass Schwangere in andere Länder fahren
       müssen, um dort einen Abbruch vornehmen zu lassen. Wenn sie es sich leisten
       können.
       
       Genau das ist der Punkt: wenn sie es sich leisten können. Die
       Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen trifft marginalisierte
       Gruppen besonders. In Texas zum Beispiel stellen People of Color 59 Prozent
       der Bevölkerung, aber sie lassen 74 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche
       vornehmen. In Mississippi sind es 44 Prozent der Bevölkerung und 81 Prozent
       der Abbrüche.
       
       Gerade in diesen Staaten, davon kann man ausgehen, werden Abbrüche nach
       einer Entscheidung des Supreme Court weitgehend illegal sein. Ein kürzlich
       erschienener Artikel der Nachrichtenagentur AP zitiert eine Mitarbeiterin
       einer texanischen Organisation, die Schwangere unterstützt, die abtreiben
       wollen: „Restriktionen von Schwangerschaftsabbrüchen sind rassistisch.“
       
       ## Marginalisierte leiden besonders
       
       Man kann sich ausmalen, [3][dass weiße und besser verdienende Personen es
       leichter haben, an andere Orte zu reisen], um einen Abbruch vornehmen zu
       lassen. Und es sind gerade Menschen aus marginalisierten Schichten, die es
       sich nicht leisten können, (weitere) Kinder zu versorgen und großzuziehen.
       Was in den USA gerade passiert, zeigt, wie eng das Recht auf Abtreibung mit
       einem demokratischen und progressiven Staat verknüpft ist. Denn freier
       Zugang zu einem Abbruch bedeutet Gleichberechtigung der Geschlechter,
       Minderheitenschutz und Schutz vor Diskriminierung.
       
       Wie es in Deutschland aussieht, wissen wir wieder mal nicht, weil es keine
       aussagekräftigen Daten gibt. Man kann davon ausgehen, dass auch hier
       Minderheiten und marginalisierte Gruppen besonders [4][unter der
       restriktiven Gesetzgebung leiden]. Es ist Zeit, Schwangerschaftsabbrüche zu
       entkriminalisieren und sie als bezahlte Gesundheitsleistung in den
       Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen. Die US-Demokratie ist schon
       lange auf dem absteigenden Ast. Die Grundsatzentscheidung des Surpreme
       Court wird einer ihrer Sargnägel sein. In Deutschland sollte das als
       abschreckendes Beispiel dienen. Freiheitsrechte können verschwinden. Von
       einem Tag auf den anderen.
       
       9 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Abtreibungsrecht-in-den-USA/!5851890
 (DIR) [2] https://www.guttmacher.org/united-states/abortion
 (DIR) [3] /Kampf-ums-Recht-auf-Abtreibung/!5850504
 (DIR) [4] /Schwangerschaftsabbruch-nach--218/!5751368
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gilda Sahebi
       
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