# taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in den USA: Lebensgefährlicher Rückschritt
       
       > Das nationale Recht auf Abtreibung steht in den USA auf der Kippe. Es
       > wäre der Erfolg einer gut vernetzten, fundamentalistischen Rechten.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen den Supreme Court in Washington, der das Abtreibungsgesetz verschärfen könnte
       
       Die Pläne des Obersten Gerichtshofs der USA sind eine Katastrophe. Einem
       Entwurf zufolge, der die Mehrheitsmeinung der RichterInnen beschreibt und
       von der [1][Nachrichtenseite Politico veröffentlicht] wurde, soll [2][das
       Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt werden]. Das Urteil, mit dem
       dieses Recht garantiert worden ist, sei „von Anfang an ungeheuerlich
       falsch“ gewesen, schreibt Richter Samuel Alito in diesem Entwurf. „Seine
       Argumentation war außergewöhnlich schwach, und die Entscheidung hatte
       schädliche Konsequenzen.“
       
       Zu befürchten war diese bedrohliche Entwicklung seit Langem. Vor fast 50
       Jahren hatte ebendieses oberste Gericht mit einem Urteil namens „[3][Roe v.
       Wade]“ Geschichte geschrieben. Seit 1973 sind Abbrüche in den USA bis zur
       24. Woche legal, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Fötus außerhalb des
       menschlichen Körpers lebensfähig ist. Das damalige Urteil war ein globaler
       Meilenstein im Kampf von Frauen um den eigenen Körper. Von Beginn an jedoch
       war es erbittert umkämpft.
       
       Konservative und Rechte mobilisierten Kräfte, AnwältInnen und Geld, um
       einen Kulturkampf zu führen, Kampagnen zu fahren und strategisch an einem
       Framing zu arbeiten, das Abbrüche über die Jahrzehnte als Mord brandmarkte.
       Immer wieder erließen republikanisch regierte Bundesstaaten Gesetze, die
       Abbrüche kriminalisierten, um „Roe“ herauszufordern.
       
       Der jetzige Entwurf des Gerichts ist insofern der Erfolg einer gut
       vernetzten, christlich-fundamentalistischen Rechten, die 2016 auch dazu
       beitrug, Trump ins Amt zu bringen. Der gab den möglichen Todesstoß für das
       Recht auf Schwangerschaftsabbruch: Er nominierte drei streng konservative
       RichterInnen für den Supreme Court, die die nun veröffentlichte
       Mehrheitsmeinung sichern. Demnach soll „die Frage der Abtreibung an die
       gewählten Volksvertreter zurückgegeben“ werden. Knapp die Hälfte der
       Bundesstaaten hat fertige Gesetze vorliegen, um Abbrüche zu verbieten.
       
       Noch hat das Gericht nicht entschieden. Schon jetzt aber zeichnet sich ein
       politisches Erdbeben ab. Noch in der Nacht wurden Barrikaden vor dem
       Supreme Court errichtet, versammelten sich Frauen zum Protest. Die
       demokratische Senatorin Elizabeth Warren twitterte, „ein extremistisches
       oberstes Gericht“ wolle seine rechte Meinung dem Land überstülpen, und rief
       zu Protesten auf.
       
       ## Entscheidung im Juni
       
       Bis Juni soll die Entscheidung fallen. Fällt sie wie erwartet, hätte dies
       dramatische Konsequenzen für Frauen in den USA – und eine Signalwirkung,
       die für Frauen auf der ganzen Welt lebensgefährlich ist. Wie „Roe“ damals
       Vorbild für demokratische, gesundheitsbewusste Länder war, wäre auch das
       jetzige Urteil Vorbild für fundamentalistische, rechte Regierungen. Es wäre
       ein Paradigmenwechsel und zivilisatorischer Rückschritt, würden die USA zum
       Leitbild, reproduktive Rechte zu kriminalisieren.
       
       Nirgendwo auf der Welt führen restriktive Gesetze dazu, dass es keine
       Abbrüche mehr gibt. Sie verhindern lediglich sichere Abbrüche. Rund 47.000
       Frauen jährlich sterben, weil sie unter unsicheren Bedingungen abtreiben.
       All diese Tode wären vermeidbar. Mit einem solchen Urteil könnten es wieder
       mehr werden.
       
       3 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.politico.com/news/2022/05/02/supreme-court-abortion-draft-opinion-00029473
 (DIR) [2] /Abtreibungsrecht-in-den-USA/!5851890
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Roe_v._Wade
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patricia Hecht
       
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