# taz.de -- Vorwürfe gegen Obersten US-Richter Alito: Konservativ und offen für Geschenke
       
       > Samuel Alito, Richter am Supreme Court, hat Reisen von einem Milliardär
       > bezahlt bekommen, sagt eine Recherche. Dessen Fall habe er später
       > verhandelt.
       
 (IMG) Bild: Der konservative Samuel Alito am Obersten Gerichthof der USA
       
       BERLIN taz | Seit 2006 gehört Samuel Alito dem Obersten Gerichtshof der USA
       an. Seit Donald Trumps Präsidentschaft ist der [1][von George W. Bush ins
       Amt gehobene] Jurist Teil der konservativen Mehrheit. Die [2][kippte] vor
       einem Jahr das Abtreibungsurteil Roe v. Wade von 1973.
       
       Jetzt steht Alito, 73 Jahre alt, stark unter Druck. Die Rechercheplattform
       [3][Pro Publica] wirft dem Richter vor, sehr teure Reisegeschenke
       konservativer Großspender nicht öffentlich gemacht und sich auch dann nicht
       als befangen erklärt zu haben, als vor dem Gerichtshof Verfahren verhandelt
       wurden, die die Großspender direkt betrafen.
       
       Konkret geht es um einen viele tausend Dollar teuren Angelausflug Alitos im
       Jahr 2008 nach Alaska. Organisiert wurde der Trip von Leonard Leo. Der
       heute 58-jährige Vorstandsvorsitzende der konservativen
       Rechtsaktivistenorganisation Federalist Society ist eine der
       einflussreichsten Figuren, wenn es um die Berufung konservativer
       Richter*innen in den USA geht. Die Federalist Society stellt regelmäßig
       Listen zusammen, aus denen sich auch Donald Trump während seiner
       Präsidentschaft die Namen der drei von ihm Nominierten heraussuchte. Damit
       verschob er die Mehrheit in dem Gremium nach rechts.
       
       Dieser Leonard Leo also hatte die Reise organisiert. Bezahlt wurde sie, so
       Pro Publica, aber vor allem von [4][Paul Singer], einem milliardenschweren
       Hedgefonds-Manager und konservativen Großspender. Er ließ Alito in seinem
       Privatjet nach Alaska reisen – was den Richter, hätte er den Jet selbst
       gechartert, laut Pro Publica um die 100.000 Dollar gekostet hätte. Auf
       einem Foto posieren beide, Alito und Singer, mit großen Lachsfängen.
       
       ## Der Hedgefonds-Manager, der Staaten ruiniert
       
       Singer nun wiederum war derjenige, dessen Hedgefonds nach der großen
       Wirtschaftskrise in Argentinien von 2001 zu Spottpreisen Schuldpapiere
       argentinischer Staatsanleihen aufkaufte und sich der Einigung der späteren
       argentinischen Regierung unter Nestor Kirchner widersetzte.
       
       Die hatte mit praktisch allen argentinischen Gläubigern weltweit Deals zum
       Erlass des Großteils der nominalen Schuldensumme ausgehandelt – Singer
       bestand auf voller Rückzahlung und suchte dafür Beistand bei US-Gerichten.
       Wenige Jahre nach dem gemeinsamen Angelausflug mit Alito landete der Fall
       vor dem Supreme Court: Mit 7:1 stimmten die Richter*innen für Singer,
       ein Urteil, das Argentinien erneut [5][an den Rand der Staatspleite]
       brachte.
       
       Pro Publica zitiert eine ganze Reihe von Rechts- und Ethikexpert*innen,
       die Alito gleich zweifaches Fehlverhalten vorwerfen: Einerseits hätte er in
       seiner jährlichen Offenlegung privater Zuverdienste oder Zuwendungen die
       teure Reise und ihre Financiers offenlegen müssen, was er nicht getan hat.
       Andererseits hätte er in dem Moment, in dem die Kammer einen Fall
       verhandelt, in den Singers Hedgefonds als Partei involviert ist, sich
       selbst für befangen erklären müssen.
       
       Vor Veröffentlichung des Artikels hatte Pro Publica eine ganze Reihe
       detaillierter Fragen zu dem gesamten Vorgang an Alito gestellt. Eine
       Antwort darauf erhielt die Organisation allerdings nicht direkt, sondern in
       Form eines namentlich von Alito gezeichneten Meinungsbeitrags im [6][Wall
       Street Journal], in dem sich Alito gegen die Vorwürfe zur Wehr setzte,
       bevor sie überhaupt veröffentlicht waren.
       
       ## Alito sieht keinerlei Fehlverhalten
       
       Alito vertritt darin die Ansicht, er habe keinerlei Grund gehabt, sich für
       befangen zu erklären, denn einerseits sei ihm gar nicht bekannt gewesen,
       dass Paul Singer mit dem vor Gericht auftretenden Hedgefonds etwas zu tun
       hatte. Außerdem habe er Singer, abgesehen von Smalltalk bei dem Angeltrip
       2008, nur noch ein paarmal bei großen Empfängen getroffen.
       
       Niemals habe er mit Singer berufliche Dinge besprochen. Die Regeln für die
       Annahme von Geschenken und deren Öffentlichmachung, argumentiert Alito
       weiter, sähen ausdrücklich nicht vor, dass Unterbringung und Transport zu
       sozialen Events verboten oder zu berichten seien.
       
       Tatsächlich gibt es für den Supreme Court weder einen ausformulierten
       Verhaltenskodex noch ein Kontrollgremium. „Es kann nicht sein, dass das
       Oberste Gericht des Landes die niedrigsten ethischen Standards hat“,
       kommentiert hingegen der demokratische Senator Dick Durbin. Er und andere
       arbeiten bereits an einem Kodex für den Gerichtshof – der scheint jetzt
       noch dringender zu werden.
       
       Ob die Angelegenheit für Alito persönliche Konsequenzen hat, ist derzeit
       offen.
       
       22 Jun 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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