# taz.de -- Öl-Raffinerie in Brandenburg: Regierung prüft Enteignung
       
       > Die Raffinerie in Schwedt/Oder wird vom russischen Staatskonzern Rosneft
       > kontrolliert. Die Bundesregierung will das ändern.
       
 (IMG) Bild: So weit das Auge reicht: Die Raffinerie bestimmt die Skyline von Schwedt
       
       BERLIN/SCHWEDT dpa | Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat Deutschland seine
       [1][Abhängigkeit von russischem Öl] bereits deutlich verringern können –
       aber es gibt noch ein großes Hindernis auf dem Weg zu einem Embargo: die
       Raffinerie in Schwedt in Brandenburg, die vom russischen Staatskonzern
       Rosneft kontrolliert wird.
       
       Um das Problem zu lösen, soll eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes
       die Grundlage schaffen. Es wurde Freitag erstmals im Bundestag beraten. Die
       Bundesregierung soll in die Lage kommen, die Raffinerie in Schwedt unter
       eine staatliche Treuhandverwaltung zu stellen oder sogar zu enteignen.
       
       Die Raffinerie in Schwedt wird über die Druschba-Pipeline mit Öl versorgt
       und spielt eine Schlüsselrolle bei der Versorgung des Ostens. Bundesweit
       deckten russische Importe vor Beginn des Kriegs 35 Prozent des deutschen
       Ölverbrauchs. Dieser Anteil konnte inzwischen auf 12 Prozent gesenkt
       werden, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diese Woche sagte.
       Bei diesen 12 Prozent handele es sich um Ölimporte der Raffinerie in
       Schwedt. Das Geschäftsmodell von Rosneft sei es, russisches Öl zu kaufen.
       Wenn man dieses Öl nicht mehr haben wolle, brauche man für Schwedt eine
       Alternative.
       
       Diese Alternative könnte es sein, die Raffinerie unter staatliche Aufsicht
       zu stellen – wie in Fall der deutschen Gazprom-Tochter. Für diese hatte
       Habeck die Bundesnetzagentur als Treuhänderin eingesetzt. Das allerdings
       geschah auf Grundlage des Außenwirtschaftsrechts und war möglich, weil die
       Firma von einer anderen russischen übernommen werden sollte. Habeck hatte
       die Treuhandverwaltung mit unklaren Rechtsverhältnissen und einem Verstoß
       gegen Meldevorschriften begründet.
       
       Im Fall von Rosneft könnte nun das Energiesicherungsgesetz die Grundlage
       für eine staatliche Aufsicht bilden. Auch eine Enteignung wäre möglich.
       Eine solche sah das Gesetz, das als Reaktion auf die Ölkrise aus dem Jahr
       1975 stammt, zwar auch bisher schon vor. In der nun geplanten Novelle aber
       sollen die Möglichkeiten klarer gefasst werden. Im Gesetzentwurf heißt es,
       zur Sicherung der Energieversorgung könnten Enteignungen vorgenommen
       werden.
       
       Der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Oliver
       Krischer (Grüne), sagte im Bundestag, man habe erlebt, dass der russische
       Präsident Wladimir Putin Energieimporte als Waffe einsetze – Russland hatte
       Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien gestoppt. „Aber wir werden uns
       nicht einschüchtern lassen, sondern unsere Politik ist darauf ausgerichtet,
       dass wir uns für den Fall wappnen, dass sich die Situation zuspitzt“, sagte
       Krischer. „Je besser wir vorbereitet sind, je schneller und umfassender wir
       handeln, je besser können wir auch mit der Krise umgehen.“
       
       Als „Ultima Ratio“ – also als letztes Mittel – müsse unter klar benannten
       und sehr engen Bedingungen auch eine Enteignung von Firmen möglich sein. Es
       könne nicht sein, dass jemand, der eine kritische Infrastruktur für die
       Energieversorgung besitze, diese Versorgung gefährde.
       
       Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse sagte: „Jeder, der kritische
       Infrastruktur in Deutschland gegen die deutschen und europäischen
       Interessen missbraucht, der kann nicht weiter Eigentümer dieser kritischen
       Infrastruktur sein.“ Der SPD-Abgeordnete Bengt Bergt sagte: „Als absolute
       Ultima Ratio müssen wir auch zur Brechstange der Enteignung greifen
       können.“
       
       Um schnell handeln zu können, soll das Gesetz rasch verabschiedet werden.
       Das könnte Mitte Mai der Fall sein. Dazu kommt noch ein anderer Hebel:
       Rosneft will die Raffinerie in Schwedt fast vollständig übernehmen, dies
       aber wird derzeit vom Wirtschaftsministerium geprüft.
       
       Woher aber soll Ersatz kommen, wenn Schwedt nicht mehr mit russischem Öl
       beliefert würde? Zum einen könnte über den Hafen im polnischen Danzig Öl
       per Schiff angelandet werden, das dann nach Schwedt gebracht werden könnte.
       Auch vom Ostseehafen Rostock aus könnte Schwedt versorgt werden.
       
       29 Apr 2022
       
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