# taz.de -- Karlsruhe zur Impfpflicht in der Pflege: Der gerechtfertigte Piks
       
       > Es bleibt dabei: Wer in Kliniken und Heimen arbeiten will, muss geimpft
       > sein. Eine entsprechende Beschwerde lehnten die Karlsruher
       > Richter:innen ab.
       
 (IMG) Bild: Beschlossen: Die Impfpflicht für Krankenhauspersonal verstößt nicht gegen das Grundgesetz
       
       FREIBURG taz | Die spezielle [1][Corona-Impfpflicht für die Beschäftigten
       im Pflege- und Gesundheitswesen] verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das
       entschied nun das Bundesverfassungsgericht.
       
       Der Bundestag hatte die „einrichtungsbezogene“ Impfpflicht im letzten
       Dezember beschlossen. Bis zum 15. März mussten die Beschäftigten von
       Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen nachweisen, dass sie entweder
       doppelt geimpft wurden oder in den letzten 90 Tagen von einer
       Corona-Infektion genesen sind.
       
       Dagegen erhoben 54 Beschäftigte, die sich nicht impfen lassen wollen,
       Verfassungsbeschwerde. Zunächst versuchten sie, das Inkrafttreten des
       Gesetzes zu verhindern. Doch einen Eilantrag der Gruppe lehnte Karlsruhe
       schon im Februar ab. Nun wiesen die Verfassungsrichter:innen die
       Klage auch in der Hauptsache zurück. Der ausführliche Beschluss des
       Gerichts hat 85 Seiten.
       
       Darin wird anerkannt, dass die Impfpflicht einen „erheblichen Eingriff“ in
       die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen darstellt. Neben dem Pieks
       könne es „sehr selten“ auch zu gravierenden Nebenwirkungen kommen, in
       „extremen Ausnahmefällen“ sogar zum Tod der geimpften Person. Es werde zwar
       niemand zwangs-geimpft, aber Ärzt:innen und Pfleger:innen könnten
       nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten, was einen starken „mittelbaren“ Druck
       aufbaue.
       
       ## Bisher wird die Pflicht ohnehin kaum durchgesetzt
       
       Der Eingriff sei allerdings gerechtfertigt, so die
       Verfassungsrichter:innen. In der Abwägung habe der Schutz vulnerabler
       Personen, also von Pflegebedürftigen und Kranken, Vorrang vor einer freien
       Impfentscheidung. Die Pflege- und Gesundheitsimpfpflicht sei auch geeignet
       und erforderlich, den Schutz im Pflege- und Gesundheitswesen zu verbessern,
       auch wenn die Impfung gegen die Omikron-Variante nicht so effizient wirke
       wie gegen die vorherige Delta-Variante. Tägliche PCR-Tests der
       Beschäftigten seien kein gleich geeignetes milderes Mittel. Auf Dauer seien
       ständige PCR-Tests nämlich zu teuer, auch sei die Laborkapazität begrenzt,
       argumentierten die Richter:innen.
       
       Selbst bei Verwaltungs-, Reinigungs- und Küchenpersonal, das kaum Kontakt
       mit den Alten und Kranken habe, sei die Impfpflicht gerechtfertigt, so
       Karlsruhe. Denn hier wiege auch der Eingriff nicht so schwer: wer sich
       nicht impfen lassen wolle, könne ja in einer anderen Branche verwalten,
       putzen oder kochen.
       
       Wie geht es nun weiter? Allein in Baden-Württemberg wurden den
       Gesundheitsämtern im April rund 32.000 nicht immunisierte Beschäftigte
       gemeldet. Allerdings wurde von den Gesundheitsämtern bisher [2][wohl noch
       kein einziges Beschäftigungsverbot ausgesprochen.]
       
       Zunächst werden die Betroffenen von den Ämtern noch einmal ermahnt, sich
       impfen zu lassen. Wenn sie nicht nachgeben, werden sie angehört, ebenso ihr
       Arbeitgeber. Das alles dauert Wochen. Am Ende muss das Gesundheitsamt im
       Einzelfall abwägen, ob es Betätigungsverbote ausspricht oder ob es darauf
       verzichtet, weil sonst das Personal in der Einrichtung knapp wird. Bis
       dahin arbeiten die Ungeimpften weiter mit den vulnerablen Personen.
       
       Die Impfpflicht gilt auch nur für die Beschäftigten der Einrichtungen. Für
       Alte und Kranke gilt keine Impfpflicht, obwohl diese sich auch gegenseitig
       anstecken können. Im Bundestag fand Anfang April jedoch der Vorschlag einer
       Impfpflicht für alle Personen über 60 Jahre [3][keine Mehrheit].
       
       Dabei hat die Ständige Impfkommission (StiKo) Anfang Februar für Personen
       ab 70 Jahren bereits die vierte Impfung (das heißt die zweiter
       Booster-Impfung) empfohlen. Diskutiert wird derzeit, ob die Empfehlung auf
       Personen ab 60 Jahren erweitert wird.
       
       (Az.: 1 BvR 2649/21)
       
       19 May 2022
       
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