# taz.de -- Unattraktive Berliner Fußballklubs: Die Hoffnung heißt Tennis Borussia
       
       > Wenn der BFC Dynamo die schlimmste Version einer Vergangenheit wäre und
       > Hertha die triste Gegenwart, dann droht mit Union eine furchtbare
       > Zukunft.
       
 (IMG) Bild: So traurig kann Hauptstadtfußball sein: die Hertha-Profis können es wieder mal nicht fassen
       
       Berlin ist eine der wenigen europäischen Hauptstädte, deren Strahlkraft
       nicht durch einen maximal erfolgreichen Fußballklub verstärkt wird. Das
       heißt nicht, dass die Hauptstadtklubs uninteressant wären, aber sie haben
       nur ein überschaubares Publikum. Das passt schon zu einer Stadt, die im
       Grunde nichts anderes ist als zwölf Dutzend zusammenhängender Dörfer sehr
       unterschiedlichen Gepräges, die sich zufälligerweise einen gemeinsamen ÖPNV
       teilen. Aber nach außen hin haben ja trotzdem einige Leute ein Interesse
       daran, dass Berlin repräsentiert wird, dass es ein rundes Bild abgibt.
       
       Welches wäre denn dann der Hauptstadtklub schlechthin? Die naheliegende
       Antwort wäre noch in den 90ern gewesen: der BFC Dynamo. Da stehen auch nur
       Arschlöcher auf den Rängen, alles voller aggressiver und selbstgefälliger
       Machos oder Nazis, das eigene Stadion steht ständig dreiviertel leer, und
       alles Denken, alles Fühlen ist so trübe, als wären die wenigen
       Besucher*innen direkt aus dem verrottenden Torf geformt worden, der
       Berlin einst war. Das gallige, faulige Sumpfgas strömt aus ihren von
       Kummerfalten umrandeten Mündern, sie sagen Sodbrennen dazu, es soll am
       Schultheiß liegen, heißt es.
       
       Aber Berlin wurde ja hip irgendwann zwischendrin, zumindest in Teilen, und
       gerade diese Hipness vergiftet jetzt alles, wofür Berlin einst stand. Geld
       sollte in die Stadt fließen, die auch eine große sein wollte, eine
       glamouröse, eine von Weltbedeutung, es sollte monatlich ein Artikel über
       Süd-Wilmersdorf im New Yorker stehen. Das ist auch ungefähr die Geschichte
       von Hertha BSC, dem [1][selbsternannten Big City Club], der in diesem
       hässlichen, zugigen, viel zu großen Olympiastadion vor sich hinspielt,
       während Michael Preetz an jene Abende denkt, als er in einem muchtigen
       Schöneberger Club von der Champions League träumte und die
       Champagnerflaschen mit einem Feldherrensäbel köpfte.
       
       Der Säbel hatte einen goldenen Knauf, die Klos hatten keine Brille, Fredi
       Bobic sitzt in seinem Garten in Zehlendorf, der verdammte Kirschbaum müsste
       mal wieder geschnitten werden, und die Träume von der goldenen Zukunft
       hängen den Leuten vor den Augen wie die vergilbten Gardinen einer
       Wittenauer Eckkneipe. Draußen rennt ein Fuchs vorbei, da denkt der Fan am
       Tresen gleich an Marcelinho; ach ja.
       
       ## Union ist Bergdorfmentalität
       
       Man könnte diese ziemlich krude These noch ausbauen: Wenn der BFC die bitte
       niemals wiederkehrende schlimmste Version einer überwundenen Vergangenheit
       wäre, Hertha die triste Gegenwart, dann droht mit Union eine furchtbare
       Zukunft. [2][Man könnte meinen, bei Union sei alles supi], sie spielen
       nächste Saison wieder europäisch und etablieren sich gerade in der
       Bundesliga. Erfolgreich und fesch! Das wär’ doch was, wie Berlin sich
       darstellen ließe.
       
       Leider ist das besondere an Union, dass die Unioner*innen ganz fest
       daran glauben, was Besonderes zu sein, aber jeden, der ihnen sagt, dass sie
       was Besonderes sind, eigentlich direkt in den Hals scheißen wollen. Sie
       wollen das Besondere nur für sich. Man darf darüber nicht reden. Union ist
       Bergdorfmentalität, es hat Nicht-Unioner*innen nix zu geben, die
       Unioner*innen sind kleingeistig in ihrer Liebe, die sie einhegen wie
       einen Schrebergarten; das ist die piefige Berliner Antwort auf das
       großmäulige Münchner „Mia san mia“.
       
       Schön wäre, Berlin hätte eine Zukunft, [3][wie TeBe sie im Kleinen
       vollzogen hat]. Die hatten irgendeine Witzfigur von Investor, der den
       kompletten Klub nach seinen Vorstellungen umbauen wollte, und dann haben
       sich die Fans zusammengetan, Lücken und Möglichkeiten in der Satzung
       gefunden, husarenstreichartig diesen Vogel entmachtet und sich den eigenen
       Klub zurückgeholt. Das war einer der größten Siege in der jüngeren
       Fußballgeschichte dieser Stadt. Aber eine Stadt, die Franziska Giffey zur
       Bürgermeisterin wählt, hat so einen Klub als Aushängeschild gar nicht
       verdient, von daher.
       
       18 May 2022
       
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