# taz.de -- Nach dem SPD-Debakel im Norden: Roter Doppelwhopper
       
       > Nach der Wahlniederlage in Schleswig-Holstein setzt die SPD nun voll auf
       > Sieg in NRW. Wahlkampfjoker soll der Kanzler sein.
       
 (IMG) Bild: Schulter an Schulter für NRW: SPD-Kandidat Thomas Kutschaty und Bundeskanzler Olaf Scholz
       
       BERLIN/BOCHUM taz | Sandwichmethode nennt man das, wenn eine schlechte
       Nachricht zwischen zwei gute gepackt wird. SPD-Parteichef Lars Klingbeil
       probierte es am Montag bei der Nachwahllese in der Berliner Parteizentrale
       damit. Zunächst gratulierte er Yasmin Fahimi, einst SPD-Generalsekretärin,
       die zuvor als [1][erste Frau an die Spitze des Deutschen
       Gewerkschaftsbundes] gewählt worden war. Dann erst kam er zur Landtagswahl
       in Schleswig-Holstein, wo die SPD am Sonntag ein historisch schlechtes
       Ergebnis erzielt hatte.
       
       Nur 16 Prozent der Wähler:innen hatten sozialdemokratisch gewählt, das
       reichte nur noch für Platz drei hinter den Grünen. „Es ist uns nicht
       gelungen, mit unseren Themen durchzudringen“, trug Klingbeil die Analyse
       des Präsidiums vor. Ausdrücklich bedankte er sich bei dem glücklosen
       Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller.
       
       Der Ex-Grüne war dem [2][amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Daniel
       Günther] zu keiner Zeit gefährlich geworden. Zu beliebt war dieser und zu
       unbekannt der Herausforderer, der gegen Günther auch im gemeinsamen
       Heimatwahlkreis Eckernförde untergegangen war mit 16,1 zu 58,4 Prozent.
       Eine schmerzhafte Niederlage, aber keine ganz überraschende.
       
       „Es war schon in der Aufstellung klar, dass es eine sehr große
       Herausforderung wird, gegen den beliebtesten Ministerpräsidenten
       anzutreten“, teilte Losse-Müller am Montag in Berlin mit. Die viel
       bekanntere SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli hatte dankend auf die
       Spitzenkandidatur verzichtet. Doch auch sie hatte es unerwartet hart
       getroffen: Sie war extra umgezogen, um im Wahlkreis Kiel-Ost antreten zu
       können. Am Wahlabend aber musste sie sich in der SPD-Hochburg Seyran Papo
       von der CDU geschlagen geben.
       
       ## Midyatli und Losse-Müller: ein Team
       
       Einen wirklichen Vorwurf für das Wahldebakel im einstigen Stammland wollte
       Losse-Müller denn auch niemand machen. Dass er dennoch in den Landtag
       einziehen werde, hatte er schon am Vorabend klargemacht, den Anspruch auf
       eine Spitzenposition erhebt er aber nicht. Er schlage vor, dass Midyatli
       Fraktionsvorsitzende bleibe, sagte Losse-Müller am Montag: „Wir werden uns
       als Team aufstellen.“ Klingbeil bekräftigte, dass man in Berlin sehr gern
       mit beiden weiter zusammenarbeite.
       
       Kiel ist also abgehakt. Lieber blickt der Parteivorsitzende nach
       Nordrhein-Westfalen, wo am kommenden Sonntag gewählt wird. Dort herrsche
       eine ganz andere Ausgangslage. „Ich bin ziemlich sicher, dass [3][Thomas
       Kutschaty] neuer Ministerpräsident wird“, versuchte Klingbeil sodann das
       Sandwich zuzuklappen.
       
       Ein Wahlsieg im mit 18 Millionen Menschen einwohnerstärksten Bundesland
       wäre der Hauptgewinn. In Umfragen liegen der amtierende Ministerpräsident
       Hendrik Wüst (CDU) und sein sozialdemokratischer Herausforderer Kutschaty
       tatsächlich Kopf an Kopf. Wobei Wüst leicht führt, doch die Mehrheit der
       Bürger:innen wünscht sich laut Umfragen eine rot-grüne Regierung.
       
       Obwohl der Rückenwind aus Schleswig-Holstein nun ausbleibt, will Thomas
       Kutschaty mögliche Folgen für die Wahl an Rhein und Ruhr nicht erkennen. In
       NRW stünden „die Zeichen auf Wechsel“, macht Kutschaty sich und seinen
       Genoss:innen Mut. „In Bochum oder Bielefeld haben die Leute andere
       Probleme. Die interessiert in den kommenden fünf Jahren nicht, wie in
       Eckernförde abgestimmt worden ist“, bekräftigt ein Sprecher Kutschatys.
       
       Und tatsächlich dürften Kutschaty und Genoss:innen die Klatsche in Kiel
       längst eingepreist haben, die eine „reine Personenwahl“ gewesen sei.
       Kutschaty will nun also weiter mit seinen Themen soziale Gerechtigkeit,
       Chancengleichheit auch für Kinder aus finanzschwachen Familien, bezahlbares
       Wohnen und bessere Pflege punkten. Und setzt doch im Endspurt auf
       Personalisierierung.
       
       Denn die gesamte Parteiprominenz rückt an: Zum Wahlkampfabschluss am
       Freitag in Köln werden neben Klingbeil auch Co-Parteichefin Saskia Esken
       und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer erwartet. Und
       Olaf Scholz. Den Kanzler setzt die SPD im Wahlkampfendspurt gewissermaßen
       als Joker ein. Neue Plakate zeigen Scholz und Kutschaty Schulter an
       Schulter: „Für die Menschen in NRW ist es gut, dass der künftige
       Ministerpräsident einen guten Draht zur Bundesregierung hat“, prahlt
       Kutschaty.
       
       Ob es denn nicht riskant sei, auf diesen Doppelwhopper zu setzen, wird
       Klingbeil am Montag im Willy-Brandt-Haus gefragt. „Überhaupt nicht“, meint
       dieser. In Nordrhein-Westfalen stünden viele Arbeitsplätze auf der Kippe,
       da sei ein direkter Zugang ins Kanzleramt gut. Subtext: Wehe, wenn der
       Falsche gewinnt.
       
       9 May 2022
       
       ## LINKS
       
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