# taz.de -- Diskussion über Menstruationsbeschwerden: Bloody Mary am Pool
       
       > „Menstruationsurlaub“ ist ein absurdes Wort. Als würde man auf Kosten des
       > Arbeitgebers mit einem Cocktail am Pool liegen, statt furchtbare
       > Schmerzen zu haben.
       
 (IMG) Bild: Achtung, Ironie! Menstruationsurlaub, davon kann unsere Autorin nur träumen
       
       Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Paranoia und Hysterie
       feministische Forderungen im Mainstream aufgenommen werden. Damit meine ich
       nicht den „Girlboss“-Feminismus, der lediglich ein paar Ausgebeuteten
       zuflüstert, dass sie sich doch ein bisschen zusammenreißen und einfach mehr
       arbeiten sollten, statt zu heulen. Dem Status quo ist diese Art von
       Feminismus nämlich recht förderlich, deshalb bezeichnet man inzwischen
       alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist, als „feministisch“ und hofft
       auf eine neue Klientel, der man denselben alten Schrott in Neonpink
       verkaufen kann.
       
       Tatsächliche Emanzipationsbestrebungen wie das [1][Einfordern ganz
       grundlegender Arbeiter_innenrechte] werden dagegen schnell zur Gefahr
       erklärt. Etwa eine Krankschreibung von bis zu drei Tagen im Monat bei
       starken Menstruationsbeschwerden, wie es gerade in Spanien diskutiert wird.
       Der Gesetzentwurf, der diese Woche im dortigen Parlament bereits für Furore
       sorgte, spukt durch den halben Kontinent weiter in Gestalt einer gruseligen
       Hexe, die nur die eigene Bevorzugung im Sinn hat. Kein Wunder, denn die
       Schlagzeilen schreiben sich von selbst bei so einem alarmierenden
       Gesetzesnamen: „Menstruationsurlaub“.
       
       Das Wort ist so absurd, ich muss direkt kichern, wenn ich es höre.
       „Menstruationsurlaub“, das klingt irgendwie gar nicht nach einem 12 Tonnen
       schweren Lkw-Anhänger, der plötzlich mitten auf meinem Kreuz parkt. Die
       Feuerwerkskörper, die im Stundentakt meinen Unterleib zerfetzen, die
       Schwindelanfälle beim Aufstehen, das ständige Gewitter unter meiner
       Schädeldecke – all das löst sich auf in diesem Versprechen von einem Wort:
       Menstruationsurlaub. In Zitrusfarben leuchten die Buchstaben vor meinem
       inneren Auge und heben ab wie Heliumballons.
       
       Trefft mich [2][auf meinem allerersten Menstruationsurlaub], wie ich mit
       einer Bloody Mary am Pool hänge, mein Bikini off-white, und die Brise über
       meinen Bauchnabel streicht. Der Himmel ist klar, die Cocktails sind
       hinterlistig und im Background läuft das rote Album von Rihanna auf Repeat.
       Jedes Mal, wenn der Song „Work“ ertönt, entfährt mir ein müdes Lachen über
       meine nicht menstruierenden Kolleg_innen, die jetzt im Homeoffice vor dem
       Rechner hängen und nebenbei ihre Kinder versorgen müssen.
       
       Auf Menstruationsurlaub gibt es keine Zoom-Calls und Chat-Mobbings und aus
       dem Ruder laufende Überstunden. Es gibt Lichtschutzfaktor 30, Sand zwischen
       den Zehen und Tretboote, die aussehen wie Delfine, die ebenfalls ein
       bisschen zu tief ins Glas geschaut haben. Einschlafen ist nicht
       gleichbedeutend mit Doomscrolling, sondern mit Grillenzirpen von der
       offenen Balkontür her, oder für die, die es mögen, dem angenehmen Surren
       einer funktionstüchtigen Klimaanlage. Der Morgen beginnt nicht mit dem
       Ausräumen der Spülmaschine beim parallelen Zähneputzen, sondern mit
       Roomservice: ein paar fluffige Pancakes, zwei Scheiben Wassermelone, nichts
       Wildes, ein, zwei Mimosas vielleicht.
       
       Die einzige [3][Carearbeit], die auf Menstruationsurlaub geleistet wird,
       ist Selfcare. Eine Aromaölmassage vor dem Mittagessen, ein paar Stunden am
       Nachmittag zum Lesen unter dem Sonnenschirm, am Abend noch mal schnell
       rausschwimmen, bevor die Sonne untergeht. Nur leider ist der Urlaub so
       kurz, dass ich es nicht einmal schaffe, alle cremefarbenen Outfits, die ich
       mitgebracht habe, einmal getragen zu haben. Was solls.
       
       Ich werde bei meiner Rückkehr den gepackten Koffer einfach in meinem
       Wohnungsflur stehen lassen. Schließlich lässt der nächste
       Menstruationsurlaub nicht lange auf sich warten. Ich blicke zum Koffer und
       zähle ungeduldig die Tage, bis es wieder so weit ist, und Tante Rosa mir
       ein Flugtaxi rüberschickt – auf den Nacken meines Arbeitgebers.
       
       20 May 2022
       
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