# taz.de -- Spotify-Hörspiel „Batman unter Toten“: Ohne Umhang und Maske
       
       > In der Hörspielserie „Batman unter Toten“ ist dieser nicht Rächer der
       > Nacht. Er arbeitet als forensischer Anthropologe in einer Gothamer
       > Klinik.
       
 (IMG) Bild: Alexander Scheer spricht Harvester, den Gegenspieler Batmans
       
       Fiebertraum? Drogentrip? Eine neue Realität? Gleich zu Beginn der
       Hörspielserie „Batman unter Toten“ holt die Erzählung den ganz großen
       Hammer raus: Bruce Waynes Eltern leben noch – und er selbst arbeitet nicht
       als Rächer in der Nacht. Stattdessen finden die Zuhörenden ihn als
       forensischen Anthropologen im Keller einer Gothamer Klinik, wo er Leichen
       untersucht und den Ansprüchen seiner Eltern nicht genügt.
       
       Statt über die Dächer der verfluchten Stadt zu springen und
       Kindheitstraumata zu verdrängen, klammert er sich an Skalpell und
       [1][Kriminalfälle]. Von denen gibt es in Gotham City genügend.
       
       Aktuell durchlebt die Stadt die Serienmorde des Harvesters, der seinen
       Opfern einzelne Organe entfernt und ihnen ein Stück Amygdala des
       vorhergehenden Opfers auf die Zunge legt, damit sie deren Angst schmecken
       können.
       
       Ein Fall für Wayne: Der versetzt sich Patholog*innenklisches
       entsprechend in die Rolle der Opfer und sagt so wundervoll Pathetisches
       wie: „Sterben ist eine Kunst wie alles. Ich kann es besonders schön.“ Als
       Wayne dann auch noch vom Harvester niedergeschlagen wird, reicht es seinem
       Übervater, und er schickt ihn – als hohes Tier in der Klinik kann er es ja
       machen – in Therapie.
       
       ## Nur für Erwachsene
       
       Die ungewöhnliche Ausgangssituation der lebenden Eltern zieht in die
       zehnteilige Serie rein und ist eines der Mittel, die die Produktion zu
       einem dicken Erfolg machen sollen. David S. Goyer hat die Geschichte
       geschrieben. Er ist bestens bekannt mit [2][Gothams Finsternis], weil er
       die Handlung für Christopher Nolans Dark-Knight-Trilogie mitentwickelt hat.
       
       Batman, ein Comic-Held, ein Charakter des Visuellen, wird ins Auditive
       gebracht. Da muss man liefern. Gerade auch, weil es nicht das erste
       Batman-Hörspiel ist. Erst 2021 wurde „HBO Max’s Batman: The Audio
       Adventures“ veröffentlicht, eine Reihe knallbunter, überdrehter
       Erzählungen. Das aktuelle Hörspiel „Unter Toten“ ist finsterer,
       gewalttätiger.
       
       Zu Beginn jeder Folge wird gewarnt, dass sich das Hörspiel nur an
       erwachsene Hörer*innen wendet. Wer sich mit Wayne zur Autopsie begibt,
       erfährt sehr schnell, warum. Es schmatzt und zerrt, während er den Kehlkopf
       entfernt. Die anderen Eingeweide schleimen in den Ohren bis zum nahezu
       erlösenden Plopp. Geräusche, als würde jemand in einer Kathedrale Krabben
       aufbrechen und hinunterschlingen.
       
       In Deutschland wurde das Hörspiel produziert in Zusammenarbeit mit Pool
       Artists (unter anderem „Faking Hitler“). Das tiefe Brummen von Wayne stammt
       von Murathan Muslu. Und auch die anderen Darsteller*innen sind bekannte
       und begabte Sprecher*innen und Schauspieler*innen. Die erste Produktion
       aus der mehrjährigen Partnerschaft zwischen Spotify, Warner Bros und DC
       Comics muss zum Erfolg werden. Auch weil sie gewagt ist.
       
       ## Auf Bildungsbürgerlichkeitsniveau eines Radiotatorts
       
       Doch leider drohen manche Dialoge auf das Bildungsbürgerlichkeitsniveau
       eines Radiotatorts abzurutschen. Besonders zu Beginn der Serie werden
       Informationen über die Charaktere plump in Sätze gepackt wie den der neuen
       Assistentin von Wayne: „Das Opfer ist in ihren Zwanzigern – genau wie ich.“
       
       Wie gut, dass Barbara Gordon (gesprochen von Lorna Ishema) dem mit
       Authentizität entgegentritt. Die Tochter vom ehemaligen Commissioner Jim
       Gordon (richtig, der der in anderen Erzählungen das Bat-Zeichen in den
       Himmel strahlt) will herauszufinden, wo [3][Batman] abgeblieben ist, nicht
       wegen Gotham, sondern vor allem aus Sorge um Batman selbst.
       
       Die interne Ermittlerin, verhasst bei manchen Kolleg*innen der Polizei,
       holt dafür sogar einen von Batmans Erzfeinden aus der Psychiatrie und
       ermöglicht in persönlichen Gesprächen mit dem Riddler tiefe Einblicke in
       ihr Seelen- und Familienleben, die die Story über lange Strecken
       hinwegtragen. Weil die Zuhörer*innen keine Reaktionen oder Gedanken
       lesen können, sind die Macher*innen gezwungen, uns alles Wichtige,
       Charmante oder Verschlüsselte in Dialogen zu erzählen.
       
       Das machen sie sehr gekonnt. Gordon muss ebenso wie Wayne in Worte fassen,
       was sie sonst durch Handlungen zeigen konnten. Dadurch sitzen sie nicht
       beim Psychiater auf der Couch, wie Wayne Senior es sich gewünscht hätte,
       sondern bei den Zuhörer*innen. Das klassische Comic-„Pow“ wird ersetzt
       durch frühe Kindheitserinnerungen, die in den Serien- und Filmproduktionen
       oft keinen Platz finden. Und auch wenn sie nicht immer ausgespielt wird:
       Das ermöglicht eine starke Charakterentwicklung.
       
       9 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Drosdowski
       
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