# taz.de -- Schloss der Welfen: Bröckelnder Zankapfel
       
       > Es ist ein märchenhafter Anblick in der Nähe von Hannover. Das Schloss
       > Marienburg hat schon viel mitgemacht und jetzt toben dort sogar
       > Einhörner.
       
 (IMG) Bild: Ein Schloss wie Ramschware im Angebot
       
       PATTENSEN taz | Als Kulisse funktioniert das „einzige Königsschloss
       Norddeutschlands“ grandios. Oben auf dem Marienberg bei Pattensen thront es
       neugotisch, mittelalterlich anmutend, mit Türmchen und Zinnen und Zugbrücke
       – wie gemacht für Postkarten, Märchenfilme oder Schneekugeln.
       
       An diesem Pfingstwochenende stauten sich allerdings die neumodischen
       Blechkutschen den Schlossweg hoch, und in Schlosspark und Innenhof
       tummelten sich Gaukler, Krämer, Jedis, Trekkies, Elfen und sonstige
       Gestalten zu einem Festival, das „Annotopia“ heißt.
       
       Es ist eine Art Merchandise-Wanderzirkus für Menschen, die auf
       Mittelalterfeste gehen oder in ihrer Freizeit gern kostümiert herumlaufen.
       Das hat – vor allem für Kinder – einen schwer widerstehlichen Touch, ist
       für Familien angesichts der Preise für Eintritt, Essen und Holzschwerter
       aber ziemlich teuer.
       
       Für echte Adelsfans dürfte sich das Festival vor allem wie der endgültige
       Ausverkauf angefühlt haben. Der hat auf Schloss Marienburg allerdings
       Tradition, genauso wie das Familiendrama.
       
       ## Unglück von Anfang an
       
       Unter so einem richtig guten Stern stand die Burg nie. Schon beim Bau von
       1858 bis 1869 zerstritten sich die Baumeister und Architekten, die der
       blinde König Georg V. von Hannover mit dem Geschenk für seine Frau Marie
       beauftragt hatte.
       
       Die wohnte nur kurz auf der geliebten Burg, da war sie nicht einmal
       fertiggestellt. Dann gewannen die Preußen, [1][und die Welfen] mussten ins
       österreichische Exil. Immerhin wurde Schloss Marienburg nicht gleich
       beschlagnahmt, weil es zum Privatbesitz der Königin zählte. Die versuchte
       hier noch weitere Schätze, darunter die Kronjuwelen, zu bunkern und vor dem
       Zugriff der Preußen zu retten.
       
       80 Jahre lang hauste danach nur ein Verwalter in dem 130 Zimmer umfassenden
       Märchenschloss. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg zogen Ernst August III.,
       seine Familie und etliche Flüchtlinge ein. Für die sollen in einigen Räumen
       die kunstvoll verzierten Wände mit Kalkfarbe überpinselt und kostbaren
       Holzfußböden herausgerissen oder überklebt worden sein.
       
       ## Die Kosten des Verfalls
       
       Es ist nicht der einzige Fall von katastrophalem Sanierungsbedarf, und die
       aktuellen Nachfahren der Welfen tun sich schwer damit, die Unterhalts- und
       Sanierungskosten für das „Neuschwanstein des Nordens“ zu decken. Im Süden
       droht die Ringmauer abzustürzen, die dicht an den Rand eines alten
       Sandsteinbergwerks gesetzt wurde, weil die Königin eine romantische
       Schlucht für ihre Höhenburg wünschte.
       
       Im Innern nötigte man Besuchern früher noch Filzpantoffeln über, um die
       kunstvollen Holzarbeiten zu schützen – heute latschen Turnschuhe und
       Einhornhufe ungehemmt übers zerschrammte Parkett, jedenfalls in den wenigen
       Räumen, die dem Publikum gerade zugänglich sind. 2005 ließen die
       Welfenerben in einer mehrtägigen Auktion weite Teile des Inventars
       verscherbeln – der Erlös sollte in eine Stiftung zum Erhalt der Marienburg
       fließen. Außerdem sagten Bund und Land 27 Millionen Euro für die fälligen
       Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten zu. Darum, wer dabei das Sagen hat,
       gibt es allerdings weiter Streit.
       
       ## Prügel-Prinz verklagt Sohn
       
       Der notorische Prügel-und-Pinkelprinz Ernst August von Hannover, bekannt
       aus der Klatschpresse, verklagte seinen Sohn Ernst August von Hannover
       junior [2][auf Rückgabe der Schenkung], mit der er ihm das Erbe vorzeitig
       vermacht hatte – wegen groben Undanks. Mittlerweile hat der Senior die
       Klage zurückgezogen, allerdings hatte er Teile seiner Ansprüche an die EAH
       Betreibungs-GmbH Salzburg verkauft, die weiter klagt.
       
       Ein Urteil des Landgerichts Hannover wird Anfang Juli erwartet. Dass damit
       jemand glücklich bis ans Lebensende weiterlebt, ist allerdings
       unwahrscheinlich.
       
       12 Jun 2022
       
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