# taz.de -- Kinder fragen, die taz antwortet: Warum weinen Erwachsene nie?
       
       > Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche
       > beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Nora, 6 Jahre alt.
       
 (IMG) Bild: Manche hören unablässig traurige Lieder oder trinken ganz viel Alkohol oder beides
       
       Liebe Nora, Erwachsene weinen auch manchmal, sie tun es aber seltener, und
       wenn, dann verstecken sie ihre Tränen oft. Das bedeutet aber nicht, dass
       sie nicht genauso traurig oder wütend sein können wie du – oder dass sie
       keine Schmerzen haben, wenn sie sich wehtun.
       
       Erwachsene glauben aber, dass sie nicht einfach weinen dürfen, wenn ihnen
       danach ist. Und ganz besonders glauben das Männer. Sie haben Angst, dass
       andere dann denken, dass sie [1][keine richtigen Männer mehr sind], auch
       wenn das Quatsch ist. Deshalb versuchten manche, schon kleinen Jungs das
       Weinen abzugewöhnen.
       
       Männer dürfen dann eigentlich nur noch weinen, wenn ihre
       [2][Lieblingsfußballmannschaft verloren hat] oder jemand aus der
       allernächsten Verwandtschaft gestorben ist. Oder wenn sie ganz toll von
       sich selbst ergriffen sind, weil sie Bundeskanzler oder Diktator sind, aber
       das passiert nicht so oft.
       
       In der Regel ist es eher so, dass man Männern, die einfach weinen,
       unterstellt, [3][dass sie sich wie Frauen verhalten würden]. Erwachsene
       Frauen dürfen also eigentlich weinen, aber wenn sie es dann wirklich tun,
       macht man es ihnen auch zum Vorwurf. Man sagt etwa, sie seien schwach oder
       hätten sich nicht unter Kontrolle. Du siehst: So richtig entspannt ist das
       nicht mit dem Weinen bei Erwachsenen.
       
       Weinen ist ein bisschen so wie ein Gewitter, nicht? Es blitzt und donnert,
       es gibt einen Riesenlärm und alles ist nass – aber hinterher ist die Luft
       rein und alles sauber gewaschen. Es heißt ja auch „reinigendes Gewitter“.
       Man kann sich wieder gut fühlen.
       
       Die Erwachsenen aber, die sich nicht erlauben zu weinen oder sich nicht
       trauen oder es gar verlernt haben, suchen stattdessen verzweifelt nach
       einem Blitzableiter, aber das funktioniert auch nicht immer so gut. Manche
       hören unablässig traurige Lieder ([4][„Nur nicht aus Liebe weinen“];
       [5][„Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht“]) oder trinken ganz
       viel Alkohol oder beides.
       
       Ja, die Erwachsenen. Wie du aus eigener Erfahrung sicher weißt, müssen sie
       immer alles kontrollieren. Ob die Haustür zu ist, ob du dir richtig die
       Zähne geputzt hast und nicht noch mal das Licht anmachst, obwohl du schon
       im Bett bist. Sich selbst aber kontrollieren sie oft noch schlimmer, so
       schlimm, dass sie sich ihre Tränen verbieten oder sie verstecken, obwohl
       sie leiden. Und das ist wirklich zum Weinen. Wenn du mal groß bist, musst
       du ihnen das ganz bestimmt nicht nachmachen.
       
       19 Jun 2022
       
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