# taz.de -- Gipfel in Elmau: G7 in der Pflicht
       
       > Die sieben reichsten Industrieländer haben Armut und Erderwärmung
       > entscheidend mitzuverantworten. Und sie haben die Macht, Krisen zu
       > lindern.
       
 (IMG) Bild: Ikonisches Bild vom G7-Gipfel im Jahr 2015 – doch seitdem ist zu wenig passiert
       
       Es war ein [1][ikonisches Bild], das um die Welt ging. Barack Obama,
       seinerzeit US-Präsident, sitzt mit dem Rücken zum Publikum mit
       ausgebreiteten Armen auf einer schweren Holzbank. Vor ihm steht die
       damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, in energischem Gespräch mit ihm –
       das Ganze vor einer wahrlich malerischen Bergkulisse. Das Bild entstand
       2015, als Deutschland das letzte Mal den G7-Vorsitz innehatte. Und das Bild
       ist so ziemlich das Einzige, was vom Gipfel der sieben reichsten
       Industriestaaten auf Schloss Elmau in Erinnerung geblieben ist.
       
       Kaum jemand wird noch in Erinnerung sein, dass sich die Kanzlerin und die
       G7 damals verpflichteten, [2][500 Millionen Menschen aus Hunger und Armut
       zu befreien]. Oder dass schon 2015 gemeinsame Maßnahmen gegen den Ausbruch
       gefährlicher Krankheiten eingeleitet werden sollten.
       
       [3][Jetzt lädt Deutschland wieder nach Schloss Elmau ein]. Auf der Agenda
       stehen Hungerkrise, Klimakrise, Krieg. Es sind die sichtbarsten und
       dringlichsten Weltprobleme seit Jahrzehnten. Sie fallen nun genau denen
       vor die Füße, die zu einem großen Anteil unmittelbar für sie verantwortlich
       sind und in deren Macht es gleichzeitig steht, die Folgen zu lindern.
       
       2015 lebten circa 500 Millionen Menschen in Hunger und Armut. Das
       Versprechen der G7, ihre Situation zu lindern, wurde nicht erfüllt. Im
       Gegenteil: Heute geht man von rund 800 Millionen Armen aus. Es sind
       vermutlich mehr, und die Tendenz steigt. Die Klimakrise ist in vollem
       Gange, der 1,5-Grad-Pfad längst nicht ausgemacht, und der Kohleausstieg bis
       2030 erscheint in diesen Tagen illusorischer denn je.
       
       ## Sperriges Dialog-Forum
       
       Wie üblich im G7-Mechanismus geht dem großen Gipfelfinale ein Marathon an
       Sitzungen und Politprozessen voran. Sämtliche Ministerien der reichsten
       Staaten treffen sich, setzen sich eine Agenda, die Zivilgesellschaft
       organisiert sich, die Wissenschaft, Wirtschaftsunternehmen. Thesen werden
       zu Papier gebracht, Forderungen zu Finanzströmen, Gesundheit,
       Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Bildung. Diplomatie ist
       schwerfällig, insbesondere wenn viele Staaten beteiligt sind.
       
       Es ist eben ein Dialog-Forum, wie das G7-Format in Verhandlungskreisen
       sperrig genannt werden. Anstatt sich an Mechanismen und Vereinbarungen zu
       halten, die längst entwickelt und getroffen wurden, werden neue Initiativen
       gestartet, um auf internationalem Parkett neue Offensiven zu präsentieren.
       Bestes Beispiel ist das Bündnis für Ernährungssicherheit. Losgetreten und
       gepusht von der deutschen [4][Bundesentwicklungsministern Svenja Schulze
       (SPD)].
       
       Natürlich hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine die Dringlichkeit
       verschärft, da die Abhängigkeiten des Globalen Südens von den Getreidesilos
       in Europa endlich sichtbar werden. Doch neue Allianzen braucht es nicht.
       Die [5][UN-Nachhaltigkeitsziele, die Agenda 2030] – also internationale
       Vereinbarungen gibt es längst. Man muss sich nur daran halten.
       
       Wie bei jedem Gipfel sind Staaten eingeladen, die nicht Teil des Clubs der
       mächtigsten Industrieländer sind. Zynische G7-Beobachter:innen
       bezeichnen sie als bloße Zaungäste. So wird Indonesien, das den G20-Vorsitz
       innehat, dazustoßen. Ebenso Senegal, das die AU derzeit anführt. Ihre
       Teilnahme ist mehr als eine Pflichteinladung. Die Großen Sieben brauchen
       Partner im Globalen Süden.
       
       2015 konzentrierte sich die Bundesregierung in den Staaten des
       afrikanischen Kontinents vor allem auf Privatinvestitionen und
       Wirtschaftspartnerschaften, die internationalen Unternehmen Zugang zu
       Rohstoffen und billigen Arbeitskräften schaffen sollten.
       Entwicklungsorganisationen kritisierten die „Compacts for Africa“ vielfach.
       Verpufft sind sie ohnehin. Das bekannte Machtgefälle ist längst ins Wanken
       geraten.
       
       In einer sich neu ordnenden Welt sind die Wirtschaftsmächte gut beraten,
       die Staaten des [6][Globalen Südens] ernst zu nehmen. Die Welt ist in einer
       katastrophalen Lage. Die G7 haben keine Superkräfte, auch, wenn sie den
       Mythos der reichen Industriestaaten, die die Welt lenken krampfhaft
       aufrecht erhalten wollen. Die Zeiten von Symbolpolitik sind vorbei. Jetzt
       braucht es konkrete Geldzusagen und einen Fahrplan, der der Verantwortung
       der G7 für die Weltprobleme gerecht wird. Andernfalls gehört das Format
       abgeschafft.
       
       25 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.handelsblatt.com/politik/international/merkel-und-obama-so-entstand-das-foto-das-um-die-welt-ging/11898690.html
 (DIR) [2] /Ergebnisse-des-G-7-Gipfels/!5203101
 (DIR) [3] /G7-Gipfel-in-Elmau-2022-als-taz-Spezial/!vn5859151
 (DIR) [4] /Entwicklungshilfeministerin-im-Libanon/!5847228
 (DIR) [5] /Zwischenbilanz-des-UN-Aktionsplans-2015/!5856396
 (DIR) [6] /Klimahilfen-fuer-den-Globalen-Sueden/!5811678
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
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