# taz.de -- Bundesparteitag der extrem Rechten: AfD unerwünscht in Riesa
       
       > Die Partei veranstaltet am Wochenende in der sächsischen Kleinstadt ihren
       > Bundesparteitag. Das Bündnis „AfD adé“ ruft zum Protest ab Donnerstag
       > auf.
       
 (IMG) Bild: Vor dem Bundesparteitag der AfD in der Sachsenarena
       
       RIESA taz | Manuel Matzke und Erik Richter stehen auf einem großen
       Parkplatz vor der Sachsenarena in Riesa, hinter ihnen dringt die Abendsonne
       durch die Wolkendecke. Es ist warm, der Parkplatz fast leer, der Asphalt
       rissig. Matzke und Richter, 35 und 27 Jahre alt, beide Mitglieder in der
       Linkspartei, haben diesen Ort für das Gespräch mit der taz nicht grundlos
       ausgesucht. In der Arena trifft sich am Wochenende die [1][AfD] zum
       Bundesparteitag, und auf dem Parkplatz, auf dem an diesem Juniabend nur
       wenige Autos parken, soll am Samstag die größte Gegendemo stattfinden, die
       es in der 30.000-Einwohner:innenstadt je gegeben hat.
       
       Matzke und Richter vom [2][Riesaer Bündnis “AfD adé“] organisieren die Demo
       sowie viele weitere Protestaktionen. „Wir wollen zeigen, dass eine
       ostdeutsche Kleinstadt wie Riesa kein ruhiges Hinterland für die AfD ist –
       und dass wir nicht einfach zusehen, wenn hier der rote Teppich für die
       Faschist:innen ausgerollt wird“, sagt Richter, der in Riesa aufgewachsen
       ist und das ewige Sachsen-Bashing satt hat. Sachsen sei zwar „in vielen
       Institutionen braun“, doch längst nicht überall. „Daher müssen wir ein
       Signal setzen, dass es noch Hoffnung gibt und viele Menschen, die gegen
       Rechtsextremismus und Rassismus ankämpfen.“
       
       Richter – blondes Haar, schwarzes T-Shirt, Sneaker und eine Sonnenbrille
       auf dem Kopf – arbeitet als Disponent in einer Speditionsfirma und war bis
       April Vorsitzender der Linken im Kreis Meißen. Im November 2018 hat er „AfD
       adé“ mitbegründet, kurz nachdem die AfD bekannt gab, ihren Europaparteitag
       in seiner Heimatstadt abzuhalten.
       
       Das Bündnis ist „ein Zusammenschluss von Antifaschist:innen aus der
       Region“, erklärt der 27 Jahre alte Riesaer. Es gebe weder Statuten noch ein
       Mitgliedsbuch, daher könne er keine Mitgliederzahlen nennen. An den
       Planungen für die Protestaktionen seien momentan aber um die 35 Personen
       beteiligt, sagt Richter, darunter auch Menschen aus Dresden, Leipzig und
       Berlin.
       
       ## Möglichst unfreundlicher Empfang
       
       Schon während des AfD-Europarteitages im Januar 2019 hat das Bündnis eine
       Gegendemo auf dem Parkplatz vor der Sachsenarena in Riesa veranstaltet,
       1.500 Menschen nahmen teil. Dieses Jahr träumt Richter von 5.000
       Teilnehmer:innen. „Die Mobilisierung ist noch viel größer als 2019“, sagt
       er. Nicht nur Bündnisse wie „Aufstehen gegen Rassismus“ oder die
       „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“
       (VVN-BdA) unterstützten „Afd adé“, sondern auch Gewerkschaften wie ver.di
       oder der DGB. Dadurch würden viel mehr Menschen erreicht.
       
       Nach dem Europaparteitag der AfD 2019 ist es ruhig um das Riesaer Bündnis
       geworden. Erst im April 2022, als die AfD bekannt gab, ihren
       Bundesparteitag nicht wie einst geplant in Wiesbaden, sondern in Riesa
       abzuhalten, habe Richter die alte Gruppe wieder zusammengetrommelt. „Es
       klingt vielleicht doof“, sagt er, „aber als ich gelesen habe, dass die AfD
       noch mal nach Riesa kommt, habe ich mich gefreut.“ Deswegen, weil es 2019
       „so schön war“, als Team etwas zu bewegen. Seit Mai trifft sich die Gruppe
       einmal pro Woche für zwei bis drei Stunden, um die Proteste zu planen.
       
       Die ersten Kundgebungen finden bereits am Donnerstagabend statt – vor den
       Hotels Mercure und Wettiner Hof, wo laut „AfD adé“ ein Großteil der
       Delegierten der AfD übernachten wird. „Mit einem unfreundlichen Empfang
       wollen wir ein erstes Zeichen setzen“, sagt Manuel Matzke, ebenfalls in
       Riesa groß geworden und bei „AfD adé“ aktiv. Er arbeitet für den
       sächsischen Landesverband der Linken und ist Sprecher der
       Gefangenengewerkschaft GG/BO.
       
       Am Freitag um 17 Uhr ist eine Demonstration auf dem Mannheimer Platz
       geplant, am Samstag findet die große Demo statt, zu der Richter zufolge
       „Menschen aus ganz Deutschland“ anreisen werden. Aus Wiesbaden zum
       Beispiel, wo der AfD-Parteitag einst stattfinden sollte, fahre das Bündnis
       „Wiesbaden gegen Rechts“ Samstagmorgen um vier Uhr mit einem Reisebus los,
       erzählt Richter.
       
       ## Setzt sich der Flügel durch?
       
       Die Demo am Samstag beginnt um halb zehn am Bahnhof in Riesa mit ersten
       Redebeiträgen. Um elf Uhr soll sich der Demozug in Richtung Sachsenarena
       bewegen, sodass die Hauptkundgebung pünktlich zur Mittagspause der AfD auf
       dem Parkplatz starten kann. Danach geht es durch die Innenstadt zum
       Rathaus, wo eine weitere Kundgebung geplant ist. Die Demo endet am späten
       Nachmittag am Bahnhof. Auf der Demo am Samstag werden unter anderem die
       Bundesvorsitzende des VVN-BdA, Cornelia Kerth, sprechen, Gabi Engelhardt
       von „Aufstehen gegen Rassismus“, die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara
       Bünger sowie der Vorsitzende des DGB Sachsen, Markus Schlimbach.
       
       Matzke und Richter befürchten, dass sich der völkisch-nationalistische
       Flügel der AfD um den Thüringer Rechtsextremen Björn Höcke bei den
       parteiinternen Wahlen in Riesa durchsetzen werde. Die AfD wählt am
       Wochenende eine neue Parteispitze, außerdem soll darüber debattiert werden,
       ob es künftig bei zwei Vorsitzenden bleiben oder auch eine Einzelspitze
       möglich sein soll. „Mit jeder Vorstandswahl rückt die AfD immer weiter nach
       rechts“, sagt Matzke. „Der Flügel um Höcke wird immer größer.“
       
       Umso mehr hätten sich Matzke und Richter vom Riesaer Oberbürgermeister
       Marco Müller (CDU) gewünscht, dass er sich deutlich gegen die AfD
       positioniert und den Parteitag in Riesa verhindert. „Doch der Bürgermeister
       ist in der CDU, die CDU ist auf [3][Kuschelkurs mit der AfD], und ohne die
       AfD hätte die CDU im Stadtrat auch nicht ihre Mehrheiten“, sagt Richter.
       
       Die Stadt Riesa teilt auf Anfrage mit, dass die AfD eine zugelassene Partei
       und im Bundestag vertreten sei. Der Riesaer Stadtrat habe sich vor einigen
       Jahren mit den Stimmen aller Fraktionen „im Zusammenhang mit der
       Bereitstellung von Räumen für politische Aktivitäten ganz bewusst dafür
       ausgesprochen, dass Verbote kein Mittel der politischen Auseinandersetzung
       sein können“. Auf die Frage, ob der Oberbürgermeister die Protestaktionen
       von „AfD adé“ unterstützt, heißt es: „Der Oberbürgermeister wahrt hier das
       Prinzip der politischen Neutralität der Verwaltung. Die Riesaer
       Bürgergesellschaft wird aber in großer Breite und Vielfalt innerhalb der
       Proteste vertreten sein.“
       
       Bei der Bundestagswahl 2021 wurde die AfD in Riesa mit 29 Prozent der
       Stimmen stärkste Kraft, bei der Stadtratswahl 2019 hat die Riesaer AfD
       knapp 23 Prozent der Stimmen bekommen und landete damit knapp hinter der
       CDU. Die CDU hat acht Sitze im Stadtrat, die AfD sieben, die NPD einen –
       Linke und SPD kommen zusammen auf sieben Sitze. Richter zufolge habe die
       AfD inzwischen eine so große Macht in Riesa, dass manche lokale
       Organisationen und Initiativen sich nicht trauten, Protestaktionen wie die
       von „AfD adé“ offiziell zu unterstützen – aus Angst, künftig weniger
       Fördergelder von der Stadt zu bekommen.
       
       Nach dem Bundesparteitag wird sich das Bündnis „AfD adé“ vermutlich erst
       einmal wieder zurückziehen, so wie nach dem AfD-Europaparteitag 2019. „Wir
       sind ja alle noch in anderen Organisationen aktiv“, sagt Richter. Doch
       spätestens, wenn die AfD noch mal für einen Parteitag nach Riesa kommen
       sollte, wird das Team um Richter und Matzke wieder zum Gegenprotest
       aufrufen und der AfD zeigen, dass sie in Riesa nicht willkommen ist.
       
       16 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Alternative-fuer-Deutschland-AfD/!t5495296
 (DIR) [2] http://www.afd-ade.de/
 (DIR) [3] /Moeglicher-Pakt-mit-der-AfD-in-Thueringen/!5856592
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rieke Wiemann
       
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