# taz.de -- Uneinigkeit in der Bundesregierung: Ein bisschen was fürs Klima
       
       > Das umfassende Klima-Sofortprogramm der Bundesregierung ist gescheitert.
       > Stattdessen präsentierten Ministerien einzelne Pläne.
       
 (IMG) Bild: Wenn jedes Ministerium sein eigenes Süppchen kocht: Solaranlagen gehören zum Wirtschafts- und nicht zum Bauressort
       
       BERLIN taz | Das hatte sich Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck
       (Grüne) sicher ganz anders vorgestellt. Sein Haus hatte im März noch mal
       ein großes Klimaschutz-Sofortprogramm für alle Wirtschaftsbereiche in
       Aussicht gestellt – nicht nur für [1][die, in denen die Klimaziele im
       vergangenen Jahr schon verfehlt wurden], sodass ein solches Sofortprogramm
       ohnehin verpflichtend ist. Sogar im Koalitionsvertrag findet sich solch ein
       Vorhaben schon. Das Motto: Kein Klein-Klein mehr, sondern ganzheitliche
       Planung.
       
       Stattdessen stand nun am Mittwoch um 12 Uhr mittags Verkehrsminister Volker
       Wissing (FDP) allein vor dem Bundeskanzleramt und referierte seine Pläne
       für das zu CO2-lastige Verkehrswesen. Eine halbe Stunde später wandte sich
       Bauministerin Klara Geywitz (SPD) in Habecks Wirtschaftsministerium an die
       Presse, neben sich den Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen. Die
       beiden präsentierten zusammen, wie Deutschlands Häuser und speziell deren
       Heizungen klimafreundlicher werden sollen.
       
       Auf der einen Seite rot-grüne Kooperation, auf der anderen Seite ein
       FDP-Alleingang? „Wir haben eigentlich vorgehabt, ein
       Klimaschutz-Sofortprogramm für alle Ressorts vorzustellen“, räumte Graichen
       leicht säuerlich ein. „Die Ressortabstimmungen dazu dauern noch an.“
       Sprich: Man konnte sich nicht fristgemäß auf ein gemeinsames Programm
       einigen.
       
       Drei Monate haben die zuständigen Ministerien laut Klimaschutzgesetz Zeit,
       sobald klar ist, dass die Klimaziele im vergangenen Jahr verfehlt wurden.
       Die Frist ist jetzt abgelaufen. Für weitere Verhandlungen war also keine
       Zeit mehr. Deshalb gab es nun doch einzelne Programme für die zwei
       Bereiche, in denen es im vergangenen Jahr nicht gesetzeskonform lief:
       Verkehr und Gebäude.
       
       ## Laut Expertin beim Verkehr „Minimallösung“
       
       Wissing will die Klimaschutz-Lücke in seinem Zuständigkeitsbereich vor
       allem durch den Ausbau von E-Ladesäulen, Fahrradwegen und einer „Ausbau-
       und Qualitätsoffensive im ÖPNV“ schaffen. Außerdem will er zum Beispiel die
       Digitalisierung fördern, um mehr Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen, was
       Arbeitswege einspart. „Mit unserem heute vorgestellten Maßnahmenpaket
       gleichen wir die Differenz vollständig aus und führen den Verkehrssektor
       zurück auf den Pfad der Einhaltung der Klimaziele“, sagte Wissing.
       
       Das sehen Expert:innen anders. Von einer „Minimallösung“ spricht etwa
       Wiebke Zimmer, Vizechefin des Thinktanks Agora Verkehrswende. „Anreize für
       Ladeinfrastruktur, Radverkehr und ÖPNV sollen gestärkt werden, aber die
       [2][Fehlanreize für den fossilen Autoverkehr] bleiben unangetastet.“ Sie
       kritisiert, dass Wissing sich nur auf die Klimaschutz-Lücke aus dem
       vergangenen Jahr konzentriere, aber nicht berücksichtige, dass diese ja mit
       den Jahren wachsen werde. Schließlich müssen die Emissionen jedes Jahr
       weiter sinken.
       
       Bei den Grünen gab es ungewöhnlich offene Kritik am Koalitionspartner. Es
       sei „mehr als fraglich“, ob Wissings Vorhaben ausreichen würden, sagte etwa
       die Vize-Fraktionschefin Julia Verlinden. Details zu den Plänen lieferte
       Wissing kaum. Sein Papier ist mit 3 Seiten auch deutlich kürzer als das
       15-seitige Programm seiner Kabinettskolleg:innen zu den Gebäuden.
       
       Geywitz und Habeck wollen, dass ab 2024 nur noch Heizungen neu eingebaut
       werden dürfen, die zu mindestens 65 Prozent erneuerbar laufen. Das heißt:
       Reine [3][Gas- oder gar Ölheizungen] dürfen dann nicht mehr neu eingebaut
       werden. Sie dürfen dann höchstens noch Ergänzung werden, etwa zu einer
       Wärmepumpe, was je nach Sanierungsstand des Hauses temporär sinnvoll sein
       kann. Diese Pläne sind allerdings nicht neu, sondern schon seit März
       bekannt.
       
       Auf die Frage, was an dem Sofortprogramm denn nun neu sei, antwortete
       Geywitz ausweichend. „Es ist ja nicht erst seit heute so, dass wir wissen,
       dass da etwas passieren muss“, sagte die Bauministerin. Man arbeite deshalb
       schon seit Dezember an den Vorhaben.
       
       Unter anderem soll es auch Schulungsprogramme für
       Heizungsinstallateur:innen geben. Außerdem wollen die Ministerien
       mit den Kommunen zusammen an der Energiewende der heute noch vor allem
       fossil betriebenen Fernwärmenetzen arbeiten und die Sanierungsrate
       öffentlicher Gebäude erhöhen.
       
       Auch das Gebäude-Paket bekommt aus der Umwelt-Szene nicht nur gute
       Kritiken. „Das Sofortprogramm für den Gebäudesektor geht peinlicherweise
       davon aus, dass die notwendigen CO2-Einsparungen bis 2030 um Millionen
       Tonnen verfehlt werden und gleichzeitig in den nächsten Jahren kein
       Handlungsbedarf im Gebäudesektor besteht“, kritisierte Barbara Metz von der
       Deutschen Umwelthilfe.
       
       Dass die Maßnahmen kein Sofortprogramm im eigentlichen Sinne sind, sondern
       eher mittelfristig wirken werden, gibt auch Staatssekretär Graichen zu. Die
       im Klimaschutzgesetz vorgegebenen Emissionsgrenzen würden „in den nächsten
       2 oder 3 Jahren“ noch mal überschritten. Er versprach: „Danach übererfüllen
       wir sie aber, sodass wir dann insgesamt die Ziele bis 2030 erreichen.“
       
       13 Jul 2022
       
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