# taz.de -- Autorinnen in den sozialen Medien: Das ganze Rumgeposte
       
       > Zeigen Autorinnen zu viel Bein auf Instagram? Das legt in der NZZ gerade
       > im Ernst eine Literaturwissenschaftlerin nahe.
       
 (IMG) Bild: Kein Fall für die Wissenschaft: Frauenbein über Weizenfeld
       
       Hoppala: Da dekoriert man mal eben drei Macarons auf ein Tellerchen neben
       den neuesten Schmöker, schießt ein süßes Selfie, und puff, schon schießt
       der eigene Roman nach oben auf der Spiegel-Bestsellerliste, vorbei an den
       Franzens und Knausgårds, an den Schwer- und Feinarbeitern der Literatur.
       Frau im Internet müsste man sein!
       
       Klingt unrealistisch, soll aber klappen. In einem Artikel für die Neue
       Zürcher Zeitung glaubt die Literaturwissenschaftlerin Martina Läubli so in
       etwa das Erfolgsgeheimnis der Autorinnen Christine Brand, Claudia
       Schumacher und Seraina Kobler ausgemacht zu haben: Sie „lächeln mit
       tiefroten Lippen (Schumacher), zeigen Bein (Schumacher, Kobler), die
       Föhnfrisur (Kobler) oder stimmungsvolle Fotos von Schreiborten in der
       Zürcher Altstadt und am Strand von Sansibar“.
       
       Lieber würde man sich die Nägel lackieren, als zum drölfzigsten Mal zu
       diskutieren, was an solchen Feststellungen frauenfeindlich ist. Schließlich
       hatten wir das alles schon mal, zuletzt im großen Stil vor drei Jahren, als
       der Schweizer Literaturkritiker Martin Ebel befand, [1][die irische Autorin
       Sally Rooney] schaue „wie ein aufgeschrecktes Reh mit sinnlichen Lippen“ –
       weil sich das so klasse vermarktet. Dass es ohne Föhnen und Lippenschürzen
       wiederum auch nicht recht ist, bekam etwa [2][Helene Hegemann] zu spüren,
       die zu Beginn ihrer Karriere im Magazin der Süddeutschen Zeitung als
       „grässliche Hippe“ verspottet wurde.
       
       Schon in einem NZZ-Artikel von 2021 hatte Läubli kritisiert, dass sich
       Autor:innen (Männer damals mitgemeint!) auf Social Media zu
       „Marktschreiern ihrer selbst“ machen. Schlimmer noch: Durch das ganze
       Rumgeposte werde „die Trennung von Werk und Autor, ein Kernanliegen der
       Literaturwissenschaft, von den Autoren selbst aufgehoben“.
       
       Große Verwirrung. Schaffen profane Selfies also eine Transparenz, die den
       Geniemythos zerstört? Oder ist, im Gegenteil, die eitle Selbstmythisierung
       das Problem, das allzu offensive „Branding“? Dafür brauchten Autoren wie
       Benjamin von Stuckrad-Barre früher nicht mal einen Instagram-Account.
       
       ## Inszeniertes Leseglück
       
       Vielleicht stört schlicht die Tatsache, dass Autorinnen über ihr
       öffentliches Bild selbst verfügen wollen. Vielleicht aber hegen Läubli und
       gleichgesinnte Kritiker auch einfach Ressentiments gegenüber einem Medium,
       das ja nun mal tatsächlich viele Murksmechanismen hervorbringt. Viele von
       denen kann man prima kritisieren, ohne Frauen für ihre kurzen Röcke zu
       tadeln. Zum Beispiel, dass das hyggelig mit Decke und Tee inszenierte
       Leseglück auf „Bookstagram“ eine verkitschte Idee von Literaturrezeption
       transportiert, die Bücher zu Lifestyle-Staffage verzwergt.
       
       Natürlich können (Literatur-)Karrieren durch eine hässliche Art
       Social-Media-Ruhm begünstigt werden: ein Ruhm, der auf
       Aufmerksamkeitsgerassel um wirklich jeden Preis beruht, auf
       Rücksichtslosigkeit und der Ausbeutung von Ideen anderer. Und natürlich
       sind Jugend und Schönheit Verkaufsargumente. Nur sollte man dieses Problem
       zuallererst mit denen am fetten Ende der Verwertungskette besprechen.
       
       Sogar über die einzige inhaltliche Kritik von Läubli ließe sich reden. In
       den Büchern von Brand, Schumacher und Kobler stehe nicht das
       Sprachexperiment im Vordergrund, „sondern der Versuch, eine Story
       ansprechend zu erzählen“. Dass wahnsinnig tolle Journalist:innen im
       Glauben, ihr Reportagegeschick befähige sie zu Höherem, oft wahnsinnig
       mittelmäßige Bücher schreiben – auch das wäre ein Thema für einen ganz
       anderen, vielleicht lohnenswerten Text.
       
       Aber einer, für den man aus den jeweiligen Romanen gewonnene Argumente
       bräuchte. Kriegt man die nicht zusammen, generiert Kritik keine Debatte,
       sondern letztlich nur: Aufmerksamkeit. Hoppala!
       
       9 Jul 2022
       
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