# taz.de -- Abschied von der Kita: Fremd ist hier niemand
       
       > Unsere Autorin verlässt Berlin und zieht samt Familie nach Wien. Das
       > beinhaltet diverse Abschiede, auch von der „Fremdbetreuung“ in der
       > hiesigen Kita.
       
 (IMG) Bild: Sie haben mir noch eine Schippe für den Kleinen geliehen, weil ich die schon in eine Kiste gepackt hatte
       
       Ein enorm sentimentaler Mensch bin ich jetzt nicht gerade. Zumindest nicht,
       wenn jemand zusieht. Aber als ich den bald Fünfjährigen heute morgen in die
       Kita gebracht hab – es ist unser letzter Tag in Berlin –, da sind mir die
       Tränen in die Augen geschossen.
       
       Ich hatte zum Glück die Sonnenbrille auf, er sollte es nicht sehen. Denn er
       wirkte zwar entspannt, aber es ist diese Art von Ruhe, die ein Symptom von
       Aufregung ist. Seine Unsicherheit konnte ich spüren und er hat allen Grund,
       unsicher zu sein. Er verlässt den Ort, an dem er sein ganzes bisheriges
       Leben verbracht hat. Wer wäre da nicht verunsichert.
       
       Also wurde er heute noch bis in die Garderobe gebracht. Normalerweise geht
       er lieber allein. Sein Fach ist schon leergeräumt. Er hat von seiner Gruppe
       letzte Woche ganz entzückende Abschiedsgeschenke bekommen. Die Kinder und
       die Erzieher*innen haben sich dabei große Mühe gegeben. Als er in seine
       Gruppe gelaufen war, habe ich mich noch mit zwei Erziehern unterhalten, die
       wissen wollten, wie es uns geht und [1][wie es mit dem Umzug läuft.] Ein
       verbales Schulterklopfen.
       
       Sie haben mir noch eine Schippe für den Kleinen geliehen, weil ich die
       schon in eine Kiste gepackt hatte, ohne daran zu denken, dass ich ja noch
       mit ihm auf den Spielplatz muss. Und sie haben mir versichert, den Großen
       noch mit Sonnenschutz einzucremen, weil wir es morgens zwischen den ganzen
       Kisten schlicht vergessen haben.
       
       ## Nach Jahren der Betreuung kennt man sich
       
       So weit, so banal, aber dann dachte ich mit schwerem Herzen daran, wie
       unpassend das Wort „Fremdbetreuung“ für diesen Zustand ist. Fremd ist hier
       niemand. Und auch wenn der Kitaträger den Erzieher*innen vorschreibt,
       dass sie die Eltern siezen sollen und ich es auch wirklich versucht habe,
       ab einem gewissen Punkt wirkt das nur noch lächerlich. Denn über die Jahre
       lernt man sich kennen.
       
       Die Menschen, die den halben Tag auf mein Kind aufpassen, ihn neben uns
       Eltern am besten kennen, die sind eben nicht fremd. Man weiß nach einiger
       Zeit voneinander, wer wie und wo lebt. Und weiß auch sonst allerhand. Viel
       zu oft steht man als Elternteil gelangweilt vor dem Sandkasten, weil das
       Kind noch nicht gehen will. Da kommt man eben ins Reden.
       
       Fremdbetreuung ist schon als Wort negativ, ein Dysphemismus, der einem
       immer ein bisschen das Gefühl geben soll, dass das, was man da tut, nicht
       richtig ist. Doch was für die eigenen Kinder richtig ist, das weiß man
       meistens selbst am besten. Der Große ist mit elf Monaten in die Kita
       gekommen. Die Eingewöhnung ging sehr flott und er geht seither gern hin,
       solange er auch genug Auszeiten von der Kita bekommt.
       
       Der Kleine ist mit zwölf Monaten in die Kita gekommen, nach zwölf Wochen
       sehr sanfter Eingewöhnung haben wir abgebrochen. Er wollte nicht alleine da
       bleiben. Und weil es mit baldigem Umzug möglich war, haben wir ihn zu Hause
       gelassen. Jetzt hoffen wir, [2][dass wir in Wien] eine „Fremdbetreuung“
       finden, in der wir die Kinder so gut aufgehoben wissen wie in dieser hier.
       
       19 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Saskia Hödl
       
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