# taz.de -- Umzug mit kleinen Kindern: Kommen die Spinnen mit?
       
       > Ein Umzug mit Kindern ist herausfordernd – auch, weil sie gar nicht
       > begreifen, was da passiert. Vielleicht sind sie aber auch flexibler, als
       > wir glauben.
       
 (IMG) Bild: Es hilft nicht unbedingt, wenn man die Kisten, die Mama gerade gepackt hat, wieder auspackt
       
       Mehrmals täglich klingelt es an der Tür und mehrmals täglich steht da eine
       Person, die kurz darauf ein Möbelstück aus der Wohnung trägt. Manchmal
       kommen sie zu zweit. Oder zu dritt. Etwa, als sie unser riesiges Sofa, auf
       dem die Kinder so gerne gespielt haben, in alle Einzelteile zerlegt und
       tetrisartig in einen winzigen Anhänger geschichtet haben.
       
       Sie haben keine halbe Stunde gebraucht. Und der Einjährige hat geweint. Ich
       war nicht sicher, ob es die Anwesenheit der Fremden war, die ihn aus der
       Fassung gebracht hat, oder dass die einfach so unser Sofa mitgenommen
       haben.
       
       Es gibt so viele Dinge, die man kleinen Kindern nicht erklären kann. Dass
       man in ein anderes Land umzieht. Dass Leute einem Möbel abkaufen, die man
       nicht mehr braucht. Dass alles in Kisten gepackt wird und wochenlang Chaos
       herrscht. Dass die Eltern müde und gestresst sind deshalb. Und vor allem,
       dass es nicht unbedingt hilft, wenn man die Kisten, die Mama gerade gepackt
       hat, wieder auspackt, sobald sie das Zimmer verlässt.
       
       Als wir letzte Woche mit dem Bus an dem Krankenhaus vorbeigefahren sind, in
       das wir es für die [1][Geburt des Einjährigen] gerade noch so geschafft
       haben, kam mir in den Sinn, dass er an unser Leben hier in Berlin keine
       Erinnerung haben wird. Vielleicht Fetzen, vielleicht ein Gefühl, das sich
       aus Erzählungen und Fotos zusammensetzt. Aber keine Erinnerung.
       
       ## Feuer löschen mit der Spritzpistole
       
       Der Vierjährige hingegen wird sich erinnern. Viele Leute haben uns gefragt,
       ob der Umzug nach Wien nicht total schlimm sein wird für ihn. Und ich weiß
       es nicht. Einerseits denke ich, dass er noch so klein ist, dass seine
       Kita-Freunde bald eine nette Erinnerung sein werden. Vielleicht wird er
       sogar ihre Namen vergessen, so wie ich die Namen der Kinder vergessen habe,
       von denen einige Fotos in meinem Familienfotoalbum kleben.
       
       Andererseits sorgt es mich, dass er den Umzug gerade eher auf die leichte
       Schulter nimmt. Gestern habe ich ihm gesagt, dass er nur noch ein paar Tage
       in seiner Kita hat. Und er hat gesagt, dass er eigentlich gar nicht mehr
       hinwill. Dass er gleich umziehen will. Dabei ist Umziehen für ihn total
       abstrakt. Wir reden oft und ausführlich darüber. Er will dann wissen, ob
       wir die Spinnen mitnehmen, die Wände oder den Balkon.
       
       Bevor wir ihn in unsere Pläne eingeweiht haben, suchten wir online nach
       Ratschlägen von Expert*innen. Da stand, man solle nicht mehr Änderungen
       machen als unbedingt nötig. Also Umzug okay, aber nicht gleich noch das
       ganze Kinderzimmer neu einrichten. Man solle das Kinderzimmer auch als
       Letztes ein- und als erstes auspacken, um ein bisschen Stabilität zu
       bieten. Und ja, klingt logisch. Wenn ich aber dieser Tage darüber
       nachdenke, kommt es mir fast lächerlich vor. Als würde man ein Feuer
       löschen wollen mit einer Spritzpistole. Doch vielleicht ist das alles, was
       Kinder brauchen. Ein bisschen Halt. Vielleicht sind sie am Ende in ihrer
       abstrakten Welt viel flexibler, als wir es sind.
       
       5 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wenn-Geburten-anders-laufen/!5806453
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Saskia Hödl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Kinderspiel
 (DIR) Umzug
 (DIR) Kinder
 (DIR) Wohnungen
 (DIR) Kolumne Kinderspiel
 (DIR) Kolumne Kinderspiel
 (DIR) Kolumne Kinderspiel
 (DIR) Heult doch!
 (DIR) Urlaub
 (DIR) Fahrrad
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Einkäufe zum Schulbeginn: Ich kann nicht, ich will nicht
       
       „Care-Arbeit“ gibt's nicht, schon klar. Warum aber betreiben viele so einen
       Aufwand, ihr zu entgehen? Weil's Mama am Ende mal wieder richten soll.
       
 (DIR) Ideen von cis Männern: Hosentaschen für andere
       
       Cis Männer denken vieles nicht zu Ende – ob bei Hosentaschen, Spielplätzen
       oder Brückengeländern. Das zeigt sich auch in Sachen Arbeitszeit.
       
 (DIR) Abschied von der Kita: Fremd ist hier niemand
       
       Unsere Autorin verlässt Berlin und zieht samt Familie nach Wien. Das
       beinhaltet diverse Abschiede, auch von der „Fremdbetreuung“ in der hiesigen
       Kita.
       
 (DIR) Kolumne Heult doch!: Mit Holzschwert und Handy!
       
       Eltern sollen sich weniger mit ihren Smartphones und mehr mit ihren Kindern
       befassen, fordert die Bildungsverwaltung. Stimmt – bedingt, mein
       Kolumnistin Anna Klöpper.
       
 (DIR) Kolumne „Psycho“: Im Urlaub mit der Unzulänglichkeit
       
       Die Angst vor dem Kofferpacken ist eine weit verbreitete Krankheit. Es
       spricht nur niemand darüber. Dafür ist die Scham einfach zu groß.
       
 (DIR) Kolumne Immer bereit: Ferien auf dem Fahrradsattel
       
       Radeln ist toll – wenn man mal die Anfangsjahre voller Pannen, Kratzer und
       Schadenfreude hinter sich gebracht hat.