# taz.de -- Beschuss von Odessas Hafen: Russlands zynisches Spiel
       
       > Die UN machen in der Ukraine denselben Fehler wie in Syrien: Sie
       > vertrauen auf Russlands guten Willen. Das aber setzt auf Unterwerfung
       > durch Gewalt.
       
 (IMG) Bild: Moskau pfeift auf Sympathien
       
       Am Freitag unterschrieb Russlands Regierung eine Vereinbarung mit den UN,
       nach fünf Monaten Krieg endlich wieder [1][ungestörte Getreideexporte aus
       der Ukraine zuzulassen]. „Die Parteien werden keine Angriffe auf Frachter
       und andere zivile Schiffe und Hafeneinrichtungen vornehmen, die an dieser
       Initiative teilnehmen“, steht da. Der Hafen Odessa ist einer der
       teilnehmenden Häfen. Keine 24 Stunden später [2][flog Russland auf den
       Hafen von Odessa Raketenangriffe].
       
       Klarer kann eine Kriegspartei nicht zeigen, was sie von ihren eigenen
       Zusagen hält. „Heute früh wache ich im wunderschönen Istanbul auf und fühle
       mich von Hoffnung beflügelt“, hatte noch am Samstagmorgen der für
       Humanitäres zuständige UN-Untergeneralsekretär getwittert. Dann schlugen
       die Raketen ein.
       
       Warum macht Russland das, fragen sich manche Beobachter – verspielt es sich
       damit nicht Sympathien? Die Antwort lautet: Moskau pfeift auf Sympathien.
       Russlands Regierung setzt einzig auf Unterwerfung durch Gewalt. Der
       Beschuss von Odessa ist eine Machtdemonstration. Die Botschaft: Denkt bloß
       nicht, ihr hättet unsere Hände gebunden, nur weil wir etwas unterschreiben.
       
       Es gibt immer noch Menschen, die einen Friedensschluss mit Russland durch
       Verhandlungen für möglich halten. Die Raketen von Odessa zeigen wieder
       einmal, dass dies ein Irrweg ist. Keine Vereinbarung mit dem aktuellen
       Regime in Moskau ist belastbar.
       
       ## UN-Vertreter eiern rum
       
       Russlands zynisches Spiel ist bekannt aus den Kriegen in Syrien und dem
       Donbass 2014/15: Auf eine diplomatische Zusage Moskaus folgt unmittelbar
       eine militärische Demonstration des Gegenteils, wohl wissend, dass das
       folgenlos bleibt – die Gegenseite will ja Frieden. Was soll die Gegenseite,
       in diesem Fall die Ukraine, denn machen? Den Deal kündigen und ihr Getreide
       wieder verrotten lassen? Natürlich nicht.
       
       Der Schönheitsfehler des Istanbuler Deals: Bis die vereinbarte
       Kontrollstruktur steht, kann Russland problemlos [3][die teilnehmenden
       ukrainischen Häfen] in Schutt und Asche legen. Danach übrigens auch. Es
       müsste schon jemand die russische Schwarzmeerflotte versenken, um das zu
       verhindern. Das sieht die Vereinbarung aber nicht vor.
       
       Die UN machen in der Ukraine denselben Fehler wie in Syrien: Sie handeln
       humanitäre Vereinbarungen aus, aber vertrauen auf Russlands guten Willen.
       Und wenn Russland keinen guten Willen zeigt, reagieren sie nicht. Auch in
       Odessa eiern UN-Vertreter jetzt herum. Der nächste Bettelversuch an die
       Adresse Putins, aus der Güte seines Herzens heraus doch bitte das eine oder
       andere Kriegsverbrechen zu unterlassen, kommt bestimmt.
       
       24 Jul 2022
       
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 (DIR) Dominic Johnson
       
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