# taz.de -- Sozialproteste und Russlandpolitik: Wo ist die Linkspartei?
       
       > Der Linken fehlt der Wille zum Bruch mit Putins Sprechpuppen. Dabei
       > braucht es die Partei angesichts der elitären Krisenpolitik der Ampel
       > dringend.
       
 (IMG) Bild: Sevim Dağdelen während einer prorussischen Friedensdemo am 18. Februar 2022
       
       Deutschland führe einen „irrsinnigen Wirtschaftskrieg“ gegen Russland. Wer
       die Ukraine mit Waffen unterstütze, sei ein „antirussischer Ideologe“ und
       „Bellizist“, also Kriegstreiber. Die Täter sind die Opfer.
       
       Diese Orwellsche Verdrehung stammt nicht vom russischen Außenminister
       Lawrow, sondern von Sevim Dağdelen, die für die Linksfraktion im
       Auswärtigen Ausschuss des Bundestages sitzt. Sahra Wagenknecht hält
       Sanktionen gegen Putin für „irre & gefährlich“ und sieht einen
       „wahnsinnigen Krieg“, den die Grünen gegen Russland führen. Klaus Ernst,
       linker Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Bundestages, will
       [1][NordStream 2] öffnen und Putin einen Propaganda-Erfolg mit Schleifchen
       schenken.
       
       Der Pro-Putin-Flügel in der Partei [2][ist nicht groß, aber laut]. Er
       besetzt noch immer Schlüsselpositionen in der Fraktion. Wie viel Zerstörung
       er anrichten kann, zeigt die Affäre um die gescheiterte Ukrainereise der
       Parteichefin Janine Wissler, die der Pro-Putin-Flügel durch Indiskretionen
       verhinderte. Die Parteispitze klingt in Sachen Russland zwar vernünftiger.
       Aber [3][zum klaren Bruch mit Putins Sprechpuppen fehlt ihr alles] –
       Klarheit, Wille, Mut.
       
       Man könnte dieses Kapitel im [4][langen Niedergang der Partei] mit dem
       üblichen melancholischen Achselzucken quittieren. Aber die Zeiten sind
       nicht so. Die Krisenbewältigung der Ampel wirkt ziellos. Und vor allem im
       Osten braut sich eine Mixtur aus berechtigten Sorgen vor Teuerungen und
       Hass auf „die da oben“ zusammen.
       
       Vielleicht bleibt es beim Donnergrollen, vielleicht entlädt sich dieses
       Gewitter im Herbst. Dann allerdings wird nur eine funktionsfähige
       Linkspartei verhindern können, dass diese Protestenergie der AfD zufließt.
       Das ist keine theoretische Idee. Der PDS in den 90er Jahren und der
       Linkspartei nach der Agenda 2010 ist es gelungen, rechte Ressentiments mit
       sozialen Protesten zu verbinden und zu amalgamieren.
       
       ## Gegen die weiche Flanke der Ampel
       
       Kann das wieder gelingen? Janine Wissler fordert das Richtige:
       Gaspreisdeckel, ein Grundkontingent Gas für jeden, eine Übergewinnsteuer
       für Konzerne. Damit trifft sie die weiche Flanke der Ampel, [5][die unfähig
       ist, die Eliten an den Krisenkosten zu beteiligen].
       
       Aber die Linkspartei ist in desolater Verfassung. Ihre Russlandpolitik
       komplett unglaubwürdig zu nennen, ist untertrieben. Sie zerfällt in
       sozialdemokratische Etatisten und radikale Klimabewegte, in eine
       wokeness-Fraktion und Gewerkschaftstraditionalisten, die mitunter nur ihre
       gegenseitige Verachtung verbindet. Die Partei müsste nun, ausnahmensweise
       mal geschlossen, zweierlei tun: schwungvoll Sozialproteste organisieren –
       und scharfe Distanz zum Putin- Appeasement der AfD zeigen. Es ist
       zweifelhaft, ob sie dazu in der Lage ist.
       
       21 Aug 2022
       
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