# taz.de -- SPD-Politiker zur Vermögensabgabe: „10 Prozent wären ein guter Wert“
       
       > Der SPD-Abgeordnete Tim Klüssendorf fordert eine Vermögensabgabe und eine
       > Übergewinnsteuer. Vom FDP-Finanzminister erwartet er eine ideologiefreie
       > Debatte.
       
 (IMG) Bild: Käme die Vermögensabgabe, müssten wohl auch die Besitzer dieser Autos ihren Beitrag zahlen
       
       taz: Herr Klüssendorf, die [1][Bundesregierung verspricht weitere
       Entlastungen], unter anderem soll die Mehrwertsteuer auf Erdgas sinken.
       Gleichzeitig will FDP-Finanzminister [2][Christian Lindner] weder Schulden
       machen noch Steuern erhöhen und hat vor der Sommerpause einen
       Haushaltsentwurf vorgelegt, in dem 50 Milliarden Euro gekürzt werden
       sollen. Geht das mit der SPD? 
       
       Tim Klüssendorf: Wir treffen uns in zwei Wochen zur SPD-Fraktionsklausur,
       auf der wir unsere Positionen zu ganz vielen Themen festlegen. Es ist mit
       uns nicht zu machen, dass man bei wichtigen Projekten Kürzungen vornimmt,
       ohne über die Einnahmeseite zu sprechen.
       
       Also Einnahmen erhöhen. Die Parlamentarische Linke der SPD-Fraktion, der
       Sie angehören, schlägt eine Vermögensabgabe für die Allerreichsten vor. Sie
       möchten Privatvermögen ab 2 Millionen und Betriebsvermögen ab 5 Millionen
       einmalig abschöpfen. Eine bekannte Idee, die es aber nicht mal in den
       Koalitionsvertrag geschafft hat. Wieso schlagen Sie das jetzt noch mal vor? 
       
       Wir haben im Moment eine sehr herausfordernde finanzielle Situation. Die
       Inflation ist so hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr, wir haben im Haushalt
       enorme Entlastungen beschlossen und werden noch weitere beschließen. In
       dieser Sondersituation muss man sich die Frage stellen, wer in unserer
       Gesellschaft in der Lage ist, die Lasten zu tragen. Aus Sicht der
       Parlamentarischen Linken werden die ganz großen Vermögen bisher zu wenig
       beteiligt. Sie sind gerade auch in den Krisen weiter angewachsen. Deshalb
       haben wir den Vorschlag einer Vermögensabgabe gemacht, um die
       gesellschaftliche Solidarität besser zu organisieren und für mehr
       Gerechtigkeit zu sorgen.
       
       Wie genau stellen Sie sich die Besteuerung der großen Vermögen vor? 
       
       Im Moment gibt es eine vermögensbasierte Besteuerung nur im Zuge der
       Erbschaftssteuer. Dort werden hohe Vermögen jetzt schon erfasst und
       bewertet und die Erben, je nachdem, wie viel sie bekommen, besteuert. So
       stellen wir uns das auch mit einer Vermögensabgabe vor. Die hohen Vermögen
       werden bewertet, Schulden werden abgezogen und vom verbleibenden
       Nettovermögen wird dann ein Prozentsatz ans Finanzamt abgeführt.
       
       Welchen Anteil wollen Sie abschöpfen? 
       
       Konkret wollen wir uns nicht festlegen, das muss politisch entschieden
       werden. Aber auf Basis der wissenschaftlichen Dokumente, die wir auch zur
       Erarbeitung dieses Konzeptes herangezogen haben, wären aus meiner Sicht zum
       Beispiel 10 Prozent ein ganz guter Wert.
       
       Das Bundesverfassungsgericht hat 1995 die damals geltende Vermögensteuer
       für verfassungswidrig erklärt, weil Immobilien nicht gerecht bewertet
       wurden. Wieso sollte es denn jetzt klappen? 
       
       Das Verfassungsgericht hat damals nicht gesagt, dass die Besteuerung von
       Vermögen grundsätzlich verfassungswidrig ist, sondern nur eine
       Berechnungsmethode für verfassungswidrig erklärt. Und es wäre gut gewesen,
       das zu bereinigen und nicht für mehrere Jahrzehnte einfach auf diese
       Einnahmequelle zu verzichten. Schließlich schafft eine faire Besteuerung
       von Vermögen Gerechtigkeit. Unsere Aufgabe ist jetzt, für eine stabile
       Berechnungsmethode zu sorgen. Ich bin sicher, dass das gelingen kann.
       
       Technisch könnte es also gehen, aber politisch wird es schwierig. Die FDP
       hält Steuererhöhungen für Sabotage. Scheitert eine Vermögensabgabe
       spätestens an Christian Lindner? 
       
       Christian Lindner hat erst mal die Aufgabe, einen ausgeglichenen Haushalt
       zu präsentieren, weil er ja 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten will.
       Und er schlägt gleichzeitig auch Steuerentlastungen im Zuge der kalten
       Progression vor. Am Ende muss er sich natürlich die Frage stellen, wie das
       mathematisch aufgehen soll. Und unserer Meinung nach geht es eben nicht
       auf, und wir brauchen weitere Einnahmen. Dieser Diskussion müssen sich
       Christian Lindner und die FDP ideologiefrei stellen.
       
       Zurzeit kann Lindner sich noch der Rückendeckung von Bundeskanzler Olaf
       Scholz gewiss sein. Wünschen Sie sich eine forschere Positionierung des
       Bundeskanzlers? Die Besteuerung von Vermögen hat die SPD schließlich in
       ihrem Wahlprogramm beschlossen. 
       
       Olaf Scholz hat zu diesen Themen ja schon eine klare persönliche Position,
       die auch bekannt ist. Ich sehe es vor allem als Aufgabe der
       Bundestagsfraktion, da weiter Druck zu machen. Und ich würde mir wünschen,
       dass die Regierung insgesamt am Ende zu dem Schluss kommt, dass eine
       einmalige Vermögensabgabe angesichts der enormen anstehenden
       Herausforderungen richtig ist.
       
       Diskutiert wird gerade auch über eine Steuer auf Übergewinne, also Gewinne,
       die Unternehmen in und durch die Krisen über das normale Maß hinaus erzielt
       haben. Ist das eine Alternative zur Vermögensabgabe? 
       
       Es geht da um unterschiedliche Dinge. [3][Bei der Übergewinnsteuer] geht es
       um Krisengewinner, etwa Stromkonzerne, die jetzt in einem sehr kurzen
       Zeitraum sehr hohe Zufallsgewinne machen. Da könnte der Staat sagen: Dafür
       habt ihr nichts getan, also beteiligt euch im Gegenzug stärker am
       Gemeinwesen. Bei der Vermögensabgabe geht es vor allem um Privatvermögen,
       die über Jahrzehnte gewachsen sind. Ich glaube, wir brauchen beide
       Instrumente. Das sind verschiedene gerechtigkeitsorientierte Debatten, die
       aus meiner Sicht beide notwendig sind.
       
       Nun gibt es ja auch von den Grünen Vorschläge, die in eine ähnliche
       Richtung gehen. Ist das ein Wettbewerb um „wer macht die forschesten
       Vorschläge, die am meisten bringen“ oder agiert man da gemeinsam? 
       
       Natürlich ist jeder Koalitionspartner erst mal frei und unabhängig in
       seinen Äußerungen. Ich freue mich aber, dass die Grünen ähnliche Ansätze in
       dieser Krisensituation haben, sowohl was die Vermögensabgabe angeht, aber
       auch in Bezug auf die Übergewinnsteuer.
       
       Gibt es innerhalb der Ampel nun eine Blockbildung gegen die FDP? 
       
       Ich finde es gut, dass wir, SPD und Grüne, in dieser Sache ähnliche
       Positionen haben, aber es wird keine Blockbildung innerhalb der Koalition
       geben.
       
       Aber wenn es in den kommenden Wochen um die Diskussion des Haushalts und
       dessen Verabschiedung geht, können in der Koalition doch schon ordentlich
       die Fetzen fliegen, oder? 
       
       Es ist gut so, dass wir in der Koalition engagiert diskutieren. Es ist
       gerade keine einfache Situation, und wir haben in dieser Frage eben sehr
       unterschiedliche Ideen. Aber ich bin sicher, dass wir einen guten Weg für
       unser Land finden werden.
       
       23 Aug 2022
       
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