# taz.de -- Russische Touristen im Kaukasus: Urlaubsfenster zur Welt
       
       > Seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine haben die Bürger Russlands
       > sich neue Urlaubsgebiete erschlossen. Eine davon: Nordossetien.
       
 (IMG) Bild: Auch ein touristisches Motiv: Monument in Wladikawkas vor Bergkulisse
       
       Der erste Kriegssommer in Russland unterscheidet sich nur in einem von
       allen vorherigen: Die Menschen fahren jetzt weniger ins Ausland und
       entscheiden sich stattdessen für einen günstigeren Urlaub im eigenen Land
       oder in Ländern, in die man jetzt noch fahren kann. Beliebt ist der
       Kaukasus.
       
       [1][In der Republik Nordossetien-Alanien], wo ich lebe, hat es seit
       Sowjetzeiten nicht mehr so viele Touristen gegeben. Sie sind überall – in
       der Hauptstadt Wladikawkas laufen sie in Gruppen von 10 bis 15 Leuten
       herum, fotografieren sich vor den Sehenswürdigkeiten. Kurz: Sie verhalten
       sich wie normale Touristen überall auf der Welt. Aber in den Kaukasus fährt
       man nicht, um in der Stadt herumzulaufen. Man kommt hierher, um sich in den
       Bergen zu erholen.
       
       Die touristische Infrastruktur, die zuvor hauptsächlich auf die hiesigen
       Erholungssuchenden ausgerichtet war, erwies sich als unzureichend für einen
       derartigen Besucherstrom, weshalb die Hotelinhaber die Preise angehoben
       haben. [2][Einheimische Touristen können sich den Urlaub hier darum kaum
       noch leisten]. In Ossetien liegt das Durchschnittsgehalt bei 30.000 Rubel,
       umgerechnet etwa 500 Euro, eine Woche Urlaub kostet circa 20.000 Rubel pro
       Person. Darum trifft man in diesem Jahr mehr Touristen aus anderen Gegenden
       als Bewohner unserer Republik.
       
       Aber trotz der hohen Preise gibt es nicht genügend Ferienunterkünfte. Und
       so nutzen Touristen aus anderen Regionen Russlands Nordossetien auch als
       Durchgangsort. Von hier kommt man besonders leicht nach Georgien, wo die
       touristische Infrastruktur um ein Vielfaches besser ist. Georgien beteiligt
       sich nicht an den Sanktionen gegen Russland, deshalb ist es kein Problem,
       dort hinzukommen. Zwei Autostunden vom Flughafen Beslan, und schon ist man
       in Tiflis.
       
       Außerdem ist wegen der großen Anzahl von Migranten aus der Russischen
       Föderation [3][Georgien jetzt vermutlich das russischsprachigste Land der
       Welt], nach Russland. Russische Touristen können sich dort wie zu Hause
       fühlen. Und das, obwohl Georgien mit Russland wegen dessen Anerkennung von
       Südossetien und Abchasien streitet – die Georgien als seine Gebiete
       betrachtet.
       
       Dass Georgien für Russland eines der wenigen Fenster zur Welt ist, zeigt
       sich an den oft Tausenden von Lkw die sich an der gemeinsamen Grenze
       stauen. Nach Kriegsbeginn hat der Güterverkehr auf der Georgischen
       Heerstraße, die Russland mit dem Transkaukasus verbindet, stark zugenommen:
       Es ist für alle angrenzenden Länder die einzig bequeme Straße (abgesehen
       von der durch Südossetien führenden). Allein deshalb, weil man so
       sanktionierte Waren, die in anderen Ländern blockiert würden, über Georgien
       nach Russland einführen kann.
       
       So sind in Nordossetien die wichtigsten geostrategischen Interessen
       Russlands und der Wunsch der Touristen nach Erholung in den Bergen auf
       bizarre Weise miteinander verflochten.
       
       Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey] 
       
       Finanziert wird das Projekt von der [5][taz Panter Stiftung]. Einen
       Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im
       September heraus.
       
       10 Aug 2022
       
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